Aufruf
Unsere kapitalistische Wirtschaft folgt einem einfachen, aber zerstörerischen Zyklus: Der Kampf um höhere Löhne und die Steigung der Preise wechseln sich periodisch ab. Aber wenn die Löhne steigen sollen, muss mehr produziert werden. Und alles, was produziert wird, muss auch wieder konsumiert werden.
Das ist die Spirale des Wachstums, die die Umwelt zerstört, die Gesellschaft spaltet und immer mehr Ungleichheit schafft.
Unsere berechtigten Forderungen nach besseren Löhnen und sicheren Sozialleistungen treiben diese Spirale ungewollt weiter an.
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Was macht der Staat, wenn die Menschen nicht mehr genug Autos kaufen? Er kauft dann Panzer und Kriegsschiffe auf Kredit. Es braucht nur ein Feindbild, dann fließen Milliarden. Und schon sind Löhne und Sozialleistungen für die nächsten Monate sicher. Aber dadurch leben wir auf einem Pulverfass.
Ist denn überhaupt eine Alternative in Sicht?
Das System ist mächtig und stabil, doch es lässt sich durch eine List überwinden – so wie David den weit überlegenen Goliath besiegen konnte.
Es gibt zwei uralte Gesetze, die in Vergessenheit geraten sind:
- Die Rohstoffe der Erde und die Energie der Sonne sind Geschenke der Schöpfung.
Beweis: Wir müssen Sonne und Erde kein Geld dafür überweisen. - Ein Großteil menschlicher Arbeit geschieht unbezahlt.
Beweis: Geburt, Kindererziehung, Pflege, Sorge füreinander – ohne sie gäbe es keine Gesellschaft. Diese Care-Arbeit ist sogar umfangreicher als die bezahlte Produktion.
Wenn wir beide Gesetze kombinieren, könnten die Löhne entfallen, die Hauptverursacher des zerstörerischen Wachstums.
Denn wenn die kostenlosen Naturstoffe mit kostenloser Arbeit kombiniert werden, sind die Erzeugnisse ebenfalls kostenlos, also gratis erhältlich. Wenn wir also auch in der Wirtschaft genauso wie im Care-Bereich unbezahlt arbeiten würden, dann blieben die Gaben der Schöpfung kostenlos, wie das Essen, das tagtäglich in allen Familien auf der ganzen Welt auf dem Tisch steht.
Wenn wir nämlich auf alle Löhne verzichten, dann entstehen bei der Produktion keine Kosten mehr und die Produkte können gratis abgegeben werden.
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Nichts müsste mehr gekauft werden, sodass wir im Umkehrschluss überhaupt keine Löhne mehr brauchen würden.
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Diese Umstellung auf kostenlose Arbeit ist eigentlich ein eher symbolischer Vorgang. Hierzu muss es weder Gesetze oder politische Vorbereitungen geben noch muss die Wirtschaft dafür umgestellt werden. Wir müssten nur weltweit, solidarisch und gleichzeitig unsere Löhne verweigern, sodass in der Wirtschaft keine Kosten mehr entstehen.
Das wäre die List des David, mit der wir den mächtigen „Goliath“ besiegen könnten.
Eine solche Umstellung ist heute erstmals in der Geschichte objektiv möglich. Alle technischen Voraussetzungen, einschließlich globaler Vernetzung sind da.
Die Veränderungen passieren dann von alleine. Die Wirtschaft funktioniert danach genauso wie der Care-Bereich, es wird nur noch das produziert, was gebraucht wird und es gibt keinen künstlichen Überfluss mehr. Dadurch sind die Klimaziele greifbar nahe und die Rohstoffverschwendung hat ein Ende.
Niemand ist dann mehr von lebenswichtigen Dingen abgeschnitten, es gibt kein arm und reich mehr und die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist beseitigt.
Das kann ganz friedlich und schnell passieren. Wir müssten nur diese Botschaft auf der ganzen Welt verbreiten, so schnell es nur geht, damit alle Menschen darüber diskutieren können.
Und dann vereinbaren wir einfach einen Tag, von dem an alle Menschen auf der gesamten Erde den Lohn verweigern. Vielleicht schon am 1. Mai 2027?
Dieser Tag wird zu einem großen Fest, an dem wir alles, was für ein glückliches und zufriedenes Leben gebraucht wird, geschenkt bekommen. Es ist ein Fest wie Ostern, Weihnachten oder Geburtstag, nur mit dem Unterschied, dass dieser Zustand andauert.
Diese Feststimmung wird dafür sorgen, dass der Übergang klappt.
Viele Vertreterinnen und Vertreter der Postwachstumsökonomie oder der Commons-Bewegung machen sich darüber Gedanken, wie die Wirtschaft verändert werden müsste, um nachhaltig zu werden. Doch wir wissen, dass sie sich nicht aktiv verändern lässt.
Aber sie wird sich von selbst nachhaltig entwickeln, sobald sie – wie die Care-Arbeit – auf freiwilliger Basis beruht. Dann zählt nur noch das, was den Menschen und der Erde dient.
Eine genaue Planung ist gar nicht möglich, weil wir heute in unserer reizüberfluteten Gesellschaft kaum wissen, wie ein Leben in Würde wirklich aussieht. Aber wir wissen, dass es keine Werbung und keine Aufforderung zu mehr Konsum mehr geben muss – denn niemand hat ein Interesse daran, mehr zu verschenken als nötig. Der Konsum wird deshalb deutlich zurückgehen.
Erst seit wenigen Jahren sind die technischen Bedingungen für diese Umstellung gegeben. Deshalb brauchen wir den geldbasierten Markt nicht mehr. Durch das Internet können wir unseren aktuellen Bedarf in Echtzeit an die Produktion übermitteln. Eine demokratisch kontrollierte KI findet die passenden Produzenten.
Die Produktionsstrukturen sind heute flexibel genug, um auf einen Rückgang des Bedarfs zu reagieren, ohne dass es zu Störungen kommt. Wenn weniger produziert wird, kümmern sich Menschen einfach mehr um ihre Kinder, die Freunde oder andere Aufgaben in der Zivilgesellschaft.
Wenn wir alles geschenkt bekommen, fühlen wir uns auch verantwortlich, ab und zu unangenehme Tätigkeiten zu übernehmen. In einer nichtkapitalistischen Gesellschaft ist die Solidarität viel stärker ausgeprägt.
Viele, die nur den Kapitalismus kennen, können sich das heute kaum vorstellen. Aber ich habe selbst lange in einem solchen Land gelebt und es mit eigenen Augen gesehen. Ihr könnt mir glauben.
Und was geschieht mit den Menschen in Banken, Versicherungen oder Finanzämtern?
Sie haben frei! Auch sie sind Teil des großen Fests des Schenkens und Beschenktwerdens und sie werden sich revanchieren wollen, indem sie dort helfen, wo noch viel Arbeit gebraucht wird.
Finanzämter? Die brauchen wir nicht mehr, denn alle – Lehrerinnen, Feuerwehrleute, Universitätsangestellte, Künstlerinnen und Kulturschaffende – sind kostenlos versorgt. Niemand wird ausgeschlossen.
Wenn Arbeit nichts mehr kostet, spielt es auch keine Rolle, wie lange etwas dauert. Produkte können so entwickelt werden, dass sie nach ihrer Lebensdauer leicht wiederverwertet werden können. Dadurch entsteht eine echte Kreislaufwirtschaft – und die Allokation durch einen Markt ist hinfällig.
Dieses Buch soll zeigen, dass es möglich ist, noch rechtzeitig die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu überwinden. Aber es ist wichtig, dass weltweit darüber diskutiert wird.
Es soll auch dazu auffordern, uns in die Situation einer solchen postkapitalistischen Gesellschaft hineinzuversetzen, um sie verstehen zu können. Wenn wir den Kapitalismus wirklich überwinden wollen, dann müssen wir loslassen können.
Warum der Name Benharmonia?
Wie könnten wir uns auf etwas freuen, das keinen Namen hat? Es gibt viele Bezeichnungen für postkapitalistische Gesellschaften, aber entweder sind sie wahre Zungenbrecher oder durch die Geschichte belastet.
„Benharmonia“ – eine Kombination aus gut und harmonisch – stammt aus dem Lateinischen und ist in vielen Kulturen verständlich.
Freuen wir uns darauf!
2. Notwendigkeit der Transformation des Kapitalismus
Der Kapitalismus ist an seine inneren und äußeren Grenzen gestoßen.
Er zerstört Natur, Menschen und soziale Bindungen, weil er seine eigenen Widersprüche nicht mehr auflösen kann. Wachstum, Wettbewerb und Profit erzwingen eine permanente Expansion von Energieverbrauch und Produktion – auch dann, wenn die ökologischen und sozialen Belastungsgrenzen der Erde längst überschritten sind.
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Die stetige Zunahme des Energieverbrauchs und der CO₂-Konzentration ist keine vorübergehende Anomalie, sondern Ausdruck der inneren Logik des Systems. Der Kapitalismus kann nicht stillstehen: Jede Stagnation gilt als Krise, jedes Innehalten bedroht seine Existenz. Während natürliche Rückkopplungen – etwa das Abschmelzen von Eisschilden, das Auftauen von Permafrostböden oder der beschleunigte CO2-Anstieg in der Atmosphäre durch die großen Waldbrände – den Klimawandel beschleunigen, wirken die ökonomischen Strukturen wie der wegen der Erwärmung zunehmende Gebrauch von Klimaanlagen selbst als Verstärker der Zerstörung.
Die Logik des endlosen Wachstums
In der kapitalistischen Produktionsweise wird das ursprünglich von der Natur bereitgestellte Material durch menschliche Arbeit in Waren verwandelt. Diese Waren müssen verkauft werden, damit sich das Kapital verwerten kann. Bleiben sie unverkauft, entsteht eine Krise.
Löhne und Sozialbeiträge sind Teil der Produktionskosten. Sinkt der Lohn zu stark, verweigern die Menschen die Arbeit; steigt er zu stark, wird das Unternehmen unrentabel. Damit Löhne steigen können, muss deshalb die Produktion wachsen – und damit steigt wiederum der Konsum. Wir kennen das aus den Medien, die neue Bundesregierung fordert „mehr Arbeit“, um das Sozialsystem zu sichern. Doch jede Ausweitung der Arbeit vergrößert zugleich die Warenmenge, die konsumiert werden muss.
So konsumieren wir inzwischen ein Mehrfaches dessen, was wir tatsächlich benötigen. Damit dieser Kreislauf funktioniert, müssen Produkte möglichst rasch ersetzt werden. Die geplante Obsoleszenz – etwa ein Drucker, der nach zwei Jahren defekt ist, obwohl er früher vier Jahre hielt – verdoppelt die Produktionsmenge bei gleichem Bedarf.
Wir nennen uns ja selbst eine „Überfluss- und Wegwerfgesellschaft“ und blenden die Folgen aus – denn der Konsum bereitet kurzfristig Lust, während die langfristigen Zerstörungen externalisiert werden. Das Vertrauen in politische Steuerung ersetzt dabei eigenes Nachdenken über diese Zusammenhänge.
Der Wachstumszwang als Systemgesetz
Bereits vor über fünfzig Jahren wies der Club of Rome in seinem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (Erich Meadows, 1972) auf diese Dynamik hin. Doch die Warnung blieb ungehört. Heute werfen wir viele Produkte immer schneller und weit vor ihrer eigentlichen Lebensdauer fort (Siddharth Prakash, 2016), nur um sie durch neue zu ersetzen. Damit Löhne und Abgaben für das Sozialsystem steigen können, muss immer mehr produziert werden – eine absurde Logik, die endloses Wachstum zur Überlebensbedingung des Systems macht.
Die steigende Produktion ist eindeutig nachweisbar. Produktion benötigt Energie, die zu 86 Prozent aus fossilen Quellen erzeugt wird (Kearney, 2025). Dadurch steigt der Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre. Diese Konzentration wird durch das NOAA Global Monitoring Laboratory der US-Regierung gemessen (NOAA Network, 2025).

In den letzten 50 Jahren stieg sie jährlich um durchschnittlich 2,1 ppm. In den letzten 5 Jahren erhöhte sich dieser Anstieg sogar auf 2,7 ppm/Jahr. Das Wachstum steigt also stärker als je zuvor. Durch die gerade wegen der Erderwärmung verursachten großen Waldbrände betrug der Anstieg 2024 sogar 3,5 ppm.
Wer heute höhere Löhne oder Sozialleistungen fordert, fordert damit ungewollt auch weiteres Wachstum. Doch dieses Wachstum lässt sich kaum noch auf friedliche oder sinnvolle Weise erzeugen. Die größten Umsätze entstehen längst durch Aufrüstung, Waffenexporte und den Wiederaufbau nach Kriegen. Das sogenannte „Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt: Zerstörung selbst wurde zur Voraussetzung neuen Wachstums. Die Bauindustrie rechnet bereits mit Großaufträgen in Gaza und der Ukraine.
Sobald ein Krieg endet, muss eine neue Konfrontation gesucht werden, damit die Maschinerie nicht stillsteht.
Sogar Naturkatastrophen werden inzwischen zu Wachstumsimpulsen: Der Wiederaufbau nach der Flut im Ahrtal 2021 steigerte das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 70 Milliarden Euro. Die Reparatur des Zerstörten wird zum Motor einer Ökonomie, die ohne Zerstörung nicht mehr funktioniert.
Ist es nicht absurd, Kriege könnten sofort aufhören, wir müssten bloß auf ein Viertel unseres Lohnes verzichten.
Die Erschöpfung des Systems
Der Klimawandel lässt sich vermutlich nicht mehr vollständig aufhalten. Zugleich ist fraglich, ob eine profitorientierte Wirtschaft überhaupt in der Lage ist, die durch den Klimawandel notwendigen Ressourcen für globalen Küstenschutz, Wiederaufforstung und Anpassungsmaßnahmen aufzubringen. Ähnlich verhält es sich mit den steigenden Sozialausgaben aufgrund des demografischen Wandels: Sie könnten nur aus einer immer weiter wachsenden Produktion finanziert werden.
Der dafür nötige Überschuss wird zunehmend durch neokoloniale Strukturen erzeugt – durch die Ausbeutung von Rohstoffen, Arbeitskraft und Land im globalen Süden.
Der Verwertungszwang als zentrale Schranke
Solange der Zwang zur Kapitalverwertung fortbesteht, kann die Ungleichheit nicht überwunden werden. Der Motor der kapitalistischen Produktion wird sich weiterdrehen – bis er sich selbst zerstört und die Lebensgrundlagen der Menschheit mitreißt.
Der Aufstieg des politischen Liberalismus seit den 1970er Jahren ist keine bloße Modeerscheinung, sondern Ausdruck dieser Systemlogik. So wie der steigende Energieverbrauch die materielle Form des Wachstumszwangs bildet, so verkörpert der Liberalismus dessen institutionelle Form: Er organisiert die Freiheit des Kapitals und die Anpassung der Gesellschaft an die Marktgesetze. Trotz Krisen, Populismus oder „grüner“ Rhetorik bleibt er daher die dominante Regierungsweise der kapitalistischen Weltordnung. (Harvey, 2007)
Leider hat sich die Wirtschaft unserem Zugriff entzogen. Die Banken verfügen über Löhne und Profite, und die Börse gleicht einem riesigen Spielkasino. Dieses Finanzsystem sorgt dafür, dass nicht die Bedürfnisse der Menschen entscheidend sind, sondern die finanzielle Effizienz.
Die CEOs handeln in diesem System nicht als fühlende Menschen, sondern als Schaltstellen der rein juristischen Unternehmen, bei denen sie angestellt sind. Sie sind nur die menschlichen Ausführungsorgane einer unmenschlichen Rechenoperation. Dem Finanzsystem nützen Panzer und Kriegsschiffe weit mehr als „Brot für die Welt“.
Indirekt hilft dieses System natürlich dabei, die Sozialleistungen zu sichern, denn viele dieser Leistungen werden aus Zinserträgen finanziert. Deshalb wird das Finanzsystem von den Regierungen gehätschelt und getätschelt.
So viel zur Demokratie.
Wenn wir versuchen wollen, die Wirtschaft auf das lohn- und wachstumsfreie Prinzip der unbezahlten Care-Arbeit umzustellen, dürfen wir nicht auf die Hilfe der Regierungen hoffen. Wir sind vollkommen auf uns selbst gestellt.
Auch können wir die Wirtschaft nicht vorher „umstellen“ oder schrittweise verändern – das lässt das Finanzsystem nicht zu, weil beides perfekt aufeinander abgestimmt ist. Trotzdem haben wir eine reale Chance auf eine kurzfristige Okkupation der Wirtschaft.
Wir brauchen eine ähnliche List, mit der David den gewaltigen Goliath besiegen konnte.
3. Konzepte für eine gesellschaftliche Transformation
3.1. Historische Vorstellungen einer gesellschaftlichen Transformation
Das Reich Gottes
Der erste berühmte Weltverbesserer war Jesus Christus. Wenn er vom Reich Gottes sprach, meinte er keine jenseitige Erlösung, sondern die Umgestaltung der bestehenden Gesellschaftsordnung – eine radikale Alternative zur Unterdrückung durch die römische Besatzungsmacht und zu den innerjüdischen Machtkämpfen seiner Zeit.
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Seine Worte und Handlungen beschreiben eine radikale gesellschaftliche Umkehr – eine Befreiung von Herrschaft, Angst und ökonomischer Abhängigkeit. Das Reich Gottes ist kein Ort, sondern ein Zustand: ein Zusammenleben, das nicht durch Geld, Eigentum oder Macht vermittelt ist, sondern durch Solidarität, Geschwisterlichkeit und gegenseitigem Geben.
Wenn Jesus sagt: „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken sollt“ (Mt 6,25–26) (Testament, 1999), dann ist das der Hinweis darauf, dass es sich bei den Gaben der Schöpfung um Geschenke handelt, die für alle Menschen bestimmt sind.
Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16) (Testament, 1999) in dem alle Arbeiter den gleichen symbolischen Lohn erhalten, unabhängig von der geleisteten Arbeitszeit, wird die kapitalistische Idee von Arbeit und Lohn aufgehoben. Dies ist eine Vision, die der freiwilligen Arbeit im Care-Bereich sehr nahekommt.
In der Tempelreinigung ebenda (Mt 21,12–13) kulminiert diese Kritik. Jesus wirft die Geldwechsler hinaus, weil sie das Heilige in eine Ware verwandelt haben. Damit richtet sich seine Tat nicht nur gegen religiösen Missbrauch, sondern gegen die gesamte Logik des Marktes.
Sogar in seinem letzten Vermächtnis vor seinem Tode, im Vaterunser beim letzten Abendmahl, gebrauchte er gemäß der Überlieferung deutliche Worte: „Dein Reich komme, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute“ (bedingungslos) sowie die Weisung der gegenseitigen Vergebung der Schulden.
Bereits im Alten Testament finden sich Spuren dieser Ordnung: Das Verbot des Goldenen Kalbes (Bibel, 2017) (Ex 32) richtet sich gegen die Vergötzung von Reichtum und Besitz; das Jubeljahr ebenda (Lev 25) fordert regelmäßig einen Schuldenerlass, ein frühes Modell zyklischer Entwertung, das soziale Gleichheit wiederherstellen sollte.
Doch im Verlauf der Kirchengeschichte wurde diese diesseitige Dimension des Reiches Gottes zunehmend verdrängt. Das Christentum verlagerte seine Hoffnung in das Jenseits – und verlor damit den revolutionären Kern der Botschaft Jesu. Statt die gesellschaftlichen Strukturen zu verwandeln, wurde der Glaube zur Privatsache, das Reich Gottes zu einem Versprechen „nach dem Tod“.
Dabei liegt gerade in den irdischen Taten Christi der Schlüssel zu einer erneuerten Theologie. Seine Handlungen – das gemeinsame Mahl, die Heilung der Kranken, das Teilen des Brotes, – also definitiv Care-Tätigkeiten – sind konkrete Gesten einer neuen gesellschaftlichen Ordnung. Sie zeigen, dass das Reich Gottes nicht erwartet, sondern real werden soll: hier, unter uns.
Papst Leo beschreibt das Reich Gottes in seiner Lehrschrift Dilexi te (Leo, 2025) so: „Die christliche Nähe zu den Kranken zeigt, dass die Erlösung nicht eine abstrakte Idee ist, sondern konkretes Handeln. Durch das Versorgen einer Wunde (Anm.: Eine Care-Tätigkeit) verkündet die Kirche, dass das Reich Gottes unter den Schwächsten seinen Anfang nimmt.“
Damit knüpft er an die Soziallehre seines Vorgängers Franziskus an, der die „Diktatur einer Wirtschaft, die tötet“ anprangerte und auf die wachsende Kluft zwischen extremer Bereicherung und allgemeiner Verarmung hinwies.
Doch trotz dieser klaren Worte bleibt die Kirche in ihrer Basis erstaunlich still. Viele derjenigen, die einst revolutionäre Impulse in die Gemeinden getragen haben, sind längst aus Enttäuschung ausgetreten. Was bleibt, ist eine erschöpfte Institution, deren Amtsträger zwar Nächstenliebe predigen, aber selten den Mut finden, sie gesellschaftlich einzufordern.
Gerade deshalb wäre es heute die Aufgabe der Priester an der Basis, die Gläubigen nicht nur zur persönlichen Barmherzigkeit, sondern zur aktiven Mitgestaltung einer gerechten Gesellschaft aufzurufen. Ein kirchlicher Neubeginn bestünde darin, die dem Leben zugewandte Botschaft Christi wiederzuerkennen – als Auftrag, das Reich Gottes nicht nur zu verkünden, sondern zu verwirklichen: durch Gleichheit, Teilen, freiwillige Arbeit und globale Solidarität, hier und jetzt.
Übergang in die klassenlose Gesellschaft
Vor rund 150 Jahren formulierte Karl Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms (Marx, 1875) die berühmte Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ Mit den „Springquellen“ meinte Marx jene materiellen Grundlagen, aus denen der allgemeine Überfluss hervorgeht – die Fähigkeit der Menschheit, mehr zu produzieren, als sie für das bloße Überleben benötigt. Wenn wir uns heute umsehen, erkennen wir: Diese Quellen sind längst zu reißenden Strömen geworden. Auch die zweite Bedingung, die Entfaltung der Produktivkräfte, wäre heute erfüllt. Wissenschaft, Technik und Automatisierung haben einen Stand erreicht, den Marx sich kaum vorstellen konnte. Das Internet und die Künstliche Intelligenz ermöglichen eine globale Vernetzung, die die alte Marktlogik überflüssig macht: Wir brauchen keinen Markt mehr, um Bedürfnisse zu erkennen oder Güter zu verteilen – wir kommunizieren direkt, bestellen, koordinieren, teilen. Marx konnte diese technischen Entwicklungen nicht vorhersehen. Aber er verstand, dass sie notwendig waren, um die materielle Basis einer klassenlosen Gesellschaft zu schaffen. Was er offenließ, war die konkrete Form des Übergangs. Heute stehen wir an genau diesem Punkt. Die materiellen und technischen Bedingungen, die Marx nur in Ansätzen beschreiben konnte, sind vollständig gegeben. Was noch fehlt, ist der bewusste Schritt der Menschheit, sie zu nutzen. Momentan ist der Übergang in die klassenlose Gesellschaft in den Programmen vieler marxistischer und linker Parteien nicht vorgesehen. Sie erkennen zwar das internationale Finanzsystem als Ursache für die globalen Probleme an aber halten sich an den Plan der Vergesellschaftung bzw. Verstaatlichung der Produktionsmittel und die Übergangsform des Sozialismus.
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3.2. Vergesellschaftung des Kapitalismus
Postwachstumskonzepte
Seit den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts hat sich eine wachsende Zahl von Ökonominnen und Sozialwissenschaftlern mit der Kritik am Wachstumsparadigma beschäftigt. Unter Bezeichnungen wie Postwachstum, Degrowth, Donut Economics oder Solidarische Ökonomie wird eine Vielzahl von Konzepten diskutiert, die das Ziel teilen, ökologische Grenzen zu respektieren und den Ressourcenverbrauch zu verringern.
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Vertreter dieser Strömungen, etwa Niko Paech (Paech, 2025), Tim Jackson (Jackson, 2017), Kate Raworth (Raworth, 2018), Jason Hickel (Hickel, 2023), Serge Latouche (Latouche, 2015), Giorgos Kallis (Kallis, 2018) oder Christian Felber (Felber, 2018) haben wertvolle Beiträge geleistet, um die zerstörerische Logik des unbegrenzten Wachstums zu analysieren. Sie fordern unter anderem eine Verkürzung der Arbeitszeit, lokale Produktionskreisläufe, die Abkehr vom Konsumismus, eine ökologische Steuerreform oder ein neues Verständnis von Wohlstand jenseits des Bruttoinlandsprodukts.
Doch trotz ihrer analytischen Schärfe bleiben diese Ansätze im Rahmen der bestehenden Marktordnung. Sie schlagen vor, die kapitalistische Wirtschaft zu zähmen, anstatt sie zu überwinden. Die Postwachstumsökonomie setzt auf politische Steuerungsinstrumente – etwa höhere Umweltsteuern, progressive Besteuerung von Reichtum oder gesetzliche Obergrenzen für Energieverbrauch – doch all diese Maßnahmen bleiben sowohl innerhalb der Logik von Geld, Markt und Wettbewerb und sind infolge des zunehmenden Liberalismus immer unerreichbarer.
Hier liegt der entscheidende Unterschied: Die Postwachstumsökonomie will das Wachstum verlangsamen, Benharmonia will es überflüssig machen. Postwachstumsautoren hoffen auf eine „nachhaltigere“ Marktwirtschaft, Benharmonia zielt auf eine Befreiung von der Marktlogik durch die Weigerung, weiter mitzuspielen.
Die Postwachstumsbewegung hat den kritischen Diskurs entscheidend vorangebracht. Doch sie bleibt in einem Dilemma gefangen: Sie erkennt die Grenzen des Wachstums, ohne den Mechanismus abzuschaffen, der Wachstum erzwingt.
Die Commons
Die Idee der Commons – der Gemeingüter – führt die Kritik an Eigentum und Verwertung einen entscheidenden Schritt weiter. Während die Postwachstumsökonomie meist nach Wegen sucht, das bestehende System zu korrigieren, stellt die Commons-Bewegung die Eigentumslogik selbst in Frage. Sie fragt: Wem gehört die Welt – und warum überhaupt jemandem?
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Commons sind Güter, die gemeinschaftlich produziert, gepflegt und genutzt werden – etwa Wissen, Saatgut, Wasser, Software, aber auch Räume, Werkzeuge oder Infrastruktur. Sie folgen keiner Marktlogik, sondern einer Logik des Teilens, des Vertrauens und der Verantwortung füreinander. Der entscheidende Unterschied liegt im Prinzip: Nicht Tausch, sondern Beitrag. Menschen bringen ein, was sie können, und erhalten, was sie brauchen – ohne Preis, ohne Vertrag, ohne Konkurrenz.
In den letzten Jahrzehnten haben Theoretiker:innen wie Elinor Ostrom (Ostrom, 2015), Silke Helfrich (Silke Helfrich, 2019) und David Bollier (Bollier, 2025) gezeigt, dass gemeinschaftliche Selbstorganisation ohne Markt oder Staat möglich sein könnte – und oft effizienter und gerechter funktionieren könnte als zentrale Verwaltung oder Privateigentum. Ostrom erhielt dafür 2009 den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, weil sie empirisch nachwies, dass Menschen in der Lage sind, ihre gemeinsamen Ressourcen nachhaltig und solidarisch zu verwalten, sofern sie dafür klare, lokal verankerte Regeln entwickeln.
Damit würde der jahrtausendealte Gegensatz zwischen Gemeingut und Privateigentum aufgehoben. Der Begriff Eigentum verliert seine gesellschaftliche Funktion, weil alles frei zugänglich ist – nicht durch Zwang, sondern durch gemeinsame Verantwortung.
Doch trotz dieser Einsichten blieb der Gedanke der Commons meist auf lokale oder thematische Projekte beschränkt: solidarische Landwirtschaft, freie Software, Gemeinschaftsgärten, Tauschläden. Die globale Produktionsweise bleibt weiterhin vom Markt bestimmt und die Commons-Projekte sind gezwungen, sich nach außen den Marktgesetzen unterzuordnen.
Commons sind kein neuzeitliches Experiment, sondern die ursprüngliche Form menschlicher Ökonomie. Jede Familie, Nachbarschaft oder Dorfgemeinschaft, die füreinander sorgt, lebt bereits nach diesen Prinzipien – meist unbemerkt, weil sie vom Markt durchdrungen ist. Innerhalb von Familien wird nicht getauscht oder verrechnet. Man gibt, weil man liebt, und nimmt, weil man vertraut. Kein Elternteil stellt seinem Kind eine Rechnung für das Frühstück, kein Kind verlangt Lohn für das Aufräumen. Der familiäre Care-Bereich ist das älteste Beispiel gemeinschaftlicher Produktion und Verteilung nach Bedürfnissen.
In diesem Sinn sind Commons die Verallgemeinerung der Bedingungen, die in den meisten Familien gelten, auf die gesamte Gesellschaft. Milliarden solcher Keime existieren bereits – sie sind nur durch die Tauschlogik voneinander getrennt. Zwar sind viele Familien autoritär oder hierarchisch strukturiert, doch diese Verzerrungen entstehen aus den kapitalistischen Rahmenbedingungen heraus. Im Grunde genommen sind die Familien die Basis des Care-Bereiches. Mit der Auflösung der Tauschlogik können sich diese Keime zu einem globalen Gemeingut verbinden.
Meretz und Sutterlütti beschreiben in ihrem Werk „Kapitalismus aufheben“ (Meretz, 2018) den Übergang als einen evolutionären Prozess, bei dem commonsbasierte Keimformen von unten wachsen und durch eine commonistische Politik von oben geschützt und verbunden werden, bis die kapitalistische Logik durch ihre schrittweise Überflüssigmachung aufgehoben wird. Sie schreiben: „Wir können uns nur selbst, innerhalb und mit der Gesellschaft, in und mit unserem konkreten Lebensumfeld befreien“. Vieles stimmt mit den Ideen von Benharmonia überein aber es ist ein langwieriger Vorgang, der sich über Generationen hinziehen könnte. Angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Entwicklung des Kapitalismus könnte das zu lange dauern.
Anders gehen Indigo Drau und Jonna Klick in „Alles für alle“ (Indigo Drau, 2024) vor. Dort soll der Übergang zur commons-basierten Wirtschaft als Enteignung durch Aneignung im revolutionären Bruch stattfinden. Das Eigentum muss zuerst gewaltsam angeeignet werden, um es im zweiten Schritt zu vergesellschaften. Doch angesichts fehlenden revolutionären Potentials und der inneren Widersprüchlichkeit gewaltsamer Aneignung wäre auch dieser Weg kaum tragfähig – denn Commons beruhen auf Vertrauen und Freiwilligkeit, nicht auf Zwang.
Sozialismus und Grundeinkommen
Auch der Sozialismus des 20. Jahrhunderts konnte diese Dynamik nicht überwinden. Es galt prinzipiell die gleiche Produktionform wie im Kapitalismus mit dem Unterschied, dass die Kapitalisten durch den Staat ersetzt wurden. Das Prinzip blieb: höhere Löhne, mehr Produktion, steigender Konsum.
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Jedoch auch im Endstadium des real existierenden Sozialismus waren keine Anzeichen vom versprochenen Übergang in die klassenlose Gesellschaft erkennbar.
Ebenso wenig löst ein bedingungsloses Grundeinkommen das Problem: Auch dieses Geld muss aus der Warenproduktion erwirtschaftet werden und fließt in den Konsum zurück. Da es knapp bemessen ist, entsteht ein starker Anreiz, das Einkommen durch marktwirtschaftliche Aktivitäten zu steigern – und damit wird weiteres Wachstum geschaffen.
Sozialismus, Vergesellschaftung und Grundeinkommen können zwar Ungleichheit mildern, doch sie bleiben im Verwertungszwang gefangen. Sie bleiben in der Logik, dass Arbeit nur dann gesellschaftlich gilt, wenn sie profitabel ist.
4. Die Strategie der Verweigerung
1.1. Der unbezahlte Care-Bereich
Schon heute existiert ein großer Bereich menschlicher Tätigkeit, der nicht bezahlt wird – die Care-Arbeit. Pflege, Kindererziehung, Sorge füreinander und für die Natur bilden die eigentliche Grundlage des Lebens, und doch erscheinen sie im Kapitalismus als „unsichtbare“ Arbeit, eben, weil sie nicht entlohnt wird.
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Eigentlich bräuchte der Care-Bereich die aufgeblähte Wirtschaft nur als Hilfsmittel, um Nahrung, Kleidung, Wohnraum, medizinische Versorgung und einige schöne Dinge des Lebens bereitzustellen. Dieses „Hilfsmittel“ Wirtschaft könnte im Grunde genauso funktionieren wie der unbezahlte Care-Bereich. Es gibt keinen objektiven Grund, der dagegenspricht.
Dann gäbe es auch in der Wirtschaft keine Überproduktion mehr. Es würde weniger hergestellt, die Klimaziele wären greifbar nahe, und die Rohstoffknappheit hätte ein Ende.
4.2. Das Gesetz der kostenlosen Rohstoffe
Alle Rohstoffe und jede Energie, die wir benötigen, werden uns von der Erde und der Sonne kostenlos bereitgestellt. Wir müssen ihnen nichts bezahlen. Ebenso entstehen Früchte aus der natürlichen Kraft von Zellteilung und Photosynthese – ohne dass wir bis zur Ernte einen finanziellen Beitrag leisten müssten. Auch das Wasser, die Mineralien und die chemischen Elemente, aus denen Dünger für die Feldfrüchte besteht, sind Geschenke der Erde.
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Die Entstehung von Eigentum und Besitz steht deshalb im Widerspruch zu diesem ursprünglichen Naturgesetz. Als der Mensch begann, Zäune zu errichten und Grenzen zu ziehen, unterbrach er den natürlichen Kreislauf des Gebens und Nehmens. Was allen zugänglich war, wurde zur Ware. Die freie Gabe der Natur wurde in Tauschwert verwandelt, und das Lebensnotwendige begann, einen Preis zu haben.
Seitdem lebt die Menschheit in einem Dauerzustand künstlicher Knappheit – geschaffen nicht von der Natur, sondern von gesellschaftlichen Strukturen, die den freien Fluss der Gaben blockieren.
Dass wir diesen Zustand hinnehmen, liegt daran, dass wir das menschengemachte Recht (Eigentum) über das Naturrecht (Zugang zu den Lebensgrundlagen) gestellt haben. Wir haben das Naturgesetz des Schenkens vergessen und durch ein kulturelles Gesetz des Besitzes ersetzt.
Was ist mit dem Grund und Boden, auf dem die Rohstoffe liegen und die Feldfrüchte wachsen?
In einer lohn- und somit geldfreien Wirtschaft verliert das Eigentum an Boden und Rohstoffen jede ausschließende Bedeutung. Der bisherige Eigentümer hat keinen Grund mehr, andere von der Nutzung seines Landes fernzuhalten, weil er selbst – wie alle anderen – mit allem versorgt ist, was er zum Leben braucht.
Der Zins oder die Pacht, den er früher aus seinem Besitz zog, haben keinen Nutzen mehr, weil es nichts mehr zu kaufen gibt. Geld, Zinsen und Märkte existieren nicht mehr, und damit verschwindet auch der Grund, Besitz als Quelle von Einkommen zu betrachten.
Es besteht also kein Grund mehr, den kostenlosen Geschenken der Erde einen Wert zu geben. Sie werden mit Hilfe unbezahlter Arbeit gewonnen, verarbeitet und transportiert und können deshalb kostenlos abgegeben werden.
So entsteht eine neue Beziehung zur Natur. Boden und Rohstoffe sind keine Besitzobjekte mehr, sondern gemeinsame Lebensgrundlagen. Wer sie nutzt, tut dies im Bewusstsein, dass sie allen gehören – den Lebenden, den Zukünftigen und der Erde selbst.
Auch die Früchte der Erde – Getreide, Gemüse, Holz, Baumwolle – werden in einer freiwilligen Wirtschaft zu Geschenken. Ihre Gratisheit beruht nicht auf Magie, sondern auf der bewussten Entscheidung, alle Vorleistungen freiwillig zu erbringen und alle Erträge ohne Gegenforderung weiterzugeben.
Die heutige Produktionskette verwandelt sich in eine Kette der Schenkung. Jede Hand gibt weiter, was sie empfangen hat, ohne dass der Fluss durch Geld unterbrochen wird. Diese Schenkungskette reicht bis zum Ursprung der Rohstoffe und macht uns für den gesamten Prozess verantwortlich – von der Erde bis zum Menschen.
So schließt sich der Kreis: Die unbezahlte Care-Arbeit, mit der Menschen das Leben selbst erhalten, wird zum Urbild einer neuen Produktionsweise, in der alles Tun aus Fürsorge geschieht – füreinander, für die Gemeinschaft und für die Erde.
Da auch die Fabrikgebäude und Maschinen keinen Profit mehr erzeugen können, weil es kein Geld mehr gibt und in einer Geschenkbasieren Umgebung nichts gekauft werden kann, fügen diese Produktionsmittel keinen Wert hinzu.
Alle hergestellten Produkte verfügen über ihren Gebrauchswert aber es wird ihnen kein Tauschwert mehr verliehen.
4.3. Das Gesetz der freiwilligen Arbeit
Die halbe Welt, in der es keine Löhne gibt
Schon heute existiert ein großer Bereich menschlicher Tätigkeit, der nicht bezahlt wird – die Care-Arbeit. Pflege, Kindererziehung, Sorge füreinander und für die Natur bilden die eigentliche Grundlage des Lebens, und doch erscheinen sie im Kapitalismus als „unsichtbare“ Arbeit, eben, weil sie nicht entlohnt wird.
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Diese unbezahlte Care-Arbeit ist das eigentliches Fundament der Produktion, denn ohne die unbezahlte Care-Arbeit wäre niemand in der Lage zu arbeiten, weil die Sorge für die Arbeiter:Innen in diesem Care-Bereich erfolgt.
Sie umfasst aber noch mehr, nämlich alle Tätigkeiten und Prozesse, die das menschliche Leben und seine Fortsetzung ermöglichen, Menschen versorgen und ihre Arbeitskraft wiederherstellen: also Kochen, Putzen, Pflegen, Erziehen, Zuhören, Trösten, Bilden, Reparieren (deshalb gibt es die vielen Baumärkte) und vieles mehr.
Man kann drei Ebenen unterscheiden:
- Biologische Reproduktion: Gebären und Aufziehen unserer Kinder
- Materielle Reproduktion: Ernährung, Wohnen, Pflege, Haushaltsarbeit
- Kulturelle und emotionale Reproduktion: Bildung, Kultur, Sozialisation, emotionale Fürsorge
Ohne diese Tätigkeiten gäbe es keine Gesellschaft, keine Arbeitskraft, keine Produktion und nicht einmal Menschen.
Die freiwillige Care-Arbeit ist also der eigentliche Kern der Gesellschaft. Sie hält die Gesellschaft am Leben und sie produziert ebenso wie die Industrie: Es wird gekocht, repariert, transportiert, im Garten gearbeitet, mit Kindern gelernt, musiziert, geschrieben, getanzt – Tätigkeiten, die Werte schaffen, die aber keinen Lohn benötigen. Wer meint, Produktionsarbeit sei härter als Hausarbeit, sollte einmal eine Woche den Haushalt führen: Kochen, Putzen, Pflegen – das ist Arbeit, nur unbezahlt.
Aber sie bringt noch etwas hervor, was kein Geld ersetzen kann: Dankbarkeit.
Obwohl das Thema Corona ein heißes Eisen ist und viele staatliche Maßnahmen auf Schärfste zu verurteilen sind, hat die Krise doch etwas deutlich gezeigt:
Als vollkommen unvorbereitet ganze Industriezweige stillstanden, ging das Leben gerade durch die fortgesetzten Care-Tätigkeiten weiter. Essen musste gekocht, Kinder betreut, Alte gepflegt, Nachbarn unterstützt werden. Ohne diese Arbeit wäre das gesellschaftliche Leben zusammengebrochen.
Gerade auf Grund des plötzlichen und unvorbereiteten Auftretens dieser globalen Krise und der sofortigen Solidarität und Disziplin kann man diesen ersten Lockdown als erfolgreichen Test für eine große gesellschaftliche Veränderung betrachten.
Weltweit leisten mehrere Milliarden Menschen freiwillig und unbezahlt Arbeit: Pflege, Katastrophenhilfe, Vereinsarbeit, Nachbarschaftshilfe, Tierschutz, politische Bewegungen – diese Arbeit geschieht nicht wegen Geld, sondern aus sozialer Verantwortung, Freude, Sinn oder Gewohnheit.
Besonders im Globalen Süden ist freiwillige und unbezahlte Arbeit oft der Normalfall – dort wird ein Großteil der gesellschaftlich notwendigen Arbeit nicht über Geld geregelt.
Zahlreiche Experimente aus der Verhaltensökonomie zeigen zudem, dass Menschen nicht nur auf Geldanreize reagieren. In sogenannten Public-Goods-Games leisten viele Teilnehmer freiwillige Beiträge zum Gemeinwohl, und bei Einführung von Geldanreizen sinkt oft sogar die Motivation – dieser Crowding-Out-Effekt wurde unter anderem von Fehr & Gächter (Ernst Fehr, 2002) untersucht.
In Extremsituationen und Krisen helfen Menschen oft spontan und freiwillig, auch unter Lebensgefahr. Beispiele dafür sind die Nachbarschaftshilfe in der Coronakrise, die Solidarität nach Naturkatastrophen oder die Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten.
Die Produktion ohne Überproduktion.
Wenn wir das Frühstück für unsere Kinder zubereiten, geben wir ihnen genau so viel, wie sie brauchen. Niemand würde doppelt so viel Brot einpacken, nur um die „Produktion“ zu steigern. Wenn Bad und Küche sauber sind, putzen wir sie nicht noch einmal, um Beschäftigung zu erzeugen.
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Sie fragt nicht: „Was bringt Gewinn?“ sondern sie fragt: „Was wird gebraucht?“
Demgegenüber steht die kapitalistische Produktion: Sie produziert nicht, um Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um Profit zu generieren. Darum muss sie wachsen, neue Märkte schaffen, Bedürfnisse künstlich erzeugen und Überfluss produzieren – selbst wenn reale Bedürfnisse längst gedeckt sind.
Doch die materiellen Voraussetzungen von Produktion und Care-Arbeit sind gar nicht so verschieden:
- Der Input der Produktion sind kostenlose
Der Input der unbezahlten Care-Arbeit sind Gebrauchsgüter, die auf dem Markt gekauft werden. Aber mit dem Bezahlen verlieren sie ihre Geldform –
- und gehen als kostenlose Gebrauchsgüter in den Care-Bereich ein.
Sie werden durch die unbezahlte Care-Arbeit beispielsweise zu einem Mittagessen verarbeitet, welches kostenlos serviert werden kann.
Die unbezahlte Care-Arbeit als Vorbild für die Befreiung der Produktion
Die unbezahlte Care-Arbeit zeigt schon heute, dass eine funktionierende, sinnvolle und lebensdienliche Ökonomie jenseits von Lohn, Profit und Wachstum möglich ist. Sie produziert keinen Überfluss wie die kapitalistische Wirtschaft sondern genau das, was benötigt wird.
Die unbezahlten Care-Arbeit kann also das Beispiel geben für die Produktion. Wenn auch in der Produktion unbezahlt gearbeitet würde, dann könnten die Produkte ebenfalls kostenlos abgegeben werden.
Deshalb wäre auch überhaupt kein Lohn nötig.
Anteil der Care-Arbeit gegenüber der Produktion
Menschen leisten weltweit etwa genauso viel oder mehr unbezahlte Care-Arbeit wie bezahlte Erwerbsarbeit. Würde man Care-Arbeit entlohnen, entspräche ihr Wert etwa 40–60 % des Bruttoinlandsprodukts (siehe Anhang).
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Menschen verbringen etwa ebenso viel oder sogar mehr Zeit mit unbezahlter Care-Tätigkeit (Haushalt, Pflege, Kinderbetreuung, Ehrenamt) wie mit bezahlter Erwerbsarbeit. (Rudolf, 2023) (Destatis, 2016)
In Deutschland engagieren sich laut Statistischem Bundesamt (2022) (Zeitverwendungserhebung (ZVE), 2022) ca. 30 Millionen Menschen ehrenamtlich, in der Schweiz etwa 40 % der Bevölkerung.
Wenn man den Wert der unbezahlten Care-Arbeit in Geld umrechnet (z.B. durch den Lohn, den man für gleiche Tätigkeiten im Markt zahlen müsste),
ergibt sich: Der Beitrag der Care-Arbeit läge bei etwa 40–60 % des Bruttoinlandsprodukts.
Global gesehen ist der Anteil ähnlich, teils noch höher in Ländern mit geringer Erwerbsbeteiligung von Frauen. UN Women schätzt, dass unbezahlte Sorgearbeit weltweit bis zu 9 % des globalen BIP ausmachen würde – mehr als die gesamte Industrieproduktion in vielen Ländern. (UN-Bericht, 2016) (OECD, 2019) (ILO, 2018)
Care-Arbeit ist nicht kleiner oder „nachgeordnet“ gegenüber der Arbeit in der Produktion – sie ist ihre Voraussetzung. Ohne Care-Arbeit (Pflege, Bildung, Ernährung, emotionale Stabilität) könnte keine Produktion stattfinden, weil es keine funktionsfähige Arbeitskraft gäbe.
Die Erziehung unserer Kinder
Wenn die Menschheit eine übergeordnete Mission hat, dann sind die langfristige Erhaltung und Entwicklung der menschlichen Zivilisation und der Schutz der Erde ihre vorrangigen Aufgaben. Und in diesem Fall ist die liebevolle, weitsichtige und ganzheitliche Erziehung der nächsten Generationen zweifellos der wichtigste und wirkungsvollste Bestandteil dieser Mission.
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Die Produktion entzieht den Eltern immer mehr Zeit und Energie für die unmittelbare Sorgearbeit. Erziehung wird institutionalisiert (Kita, Schule, Nachhilfe, Medienkonsum). Das Kind wird zunehmend von der Produktionslogik durchdrungen – früh diszipliniert, leistungsorientiert, funktionalisiert.
Kinder werden „betreut“, aber nicht wirklich erzogen. Beziehung, Aufmerksamkeit, Sicherheit – all das, was nicht messbar ist – wird knapp. Die Gesellschaft zehrt von der Substanz ihrer menschlichen Grundlagen: emotionale Bindung, Empathie, Geduld.
Langfristig entsteht eine verkümmerte Subjektivität:
- Menschen, die funktional sind, aber nicht ganz
- produktiv, aber nicht solidarisch
- kompetent, aber innerlich leer
Wir versagen bei der Ausübung unserer ursprünglichen Mission und denken nicht über die Folgen nach.
4.4. Die Dialektik einer Revolution
Eine Revolution ist kein langsamer Wandel, sondern der Umschlag in eine neue Qualität gesellschaftlicher Wirklichkeit. In ihr verdichtet sich, was zuvor über lange Zeit gereift ist: Widersprüche, Erfahrungen, technische Entwicklungen, Bewusstseinsprozesse. Wenn diese nicht mehr innerhalb der alten Ordnung lösbar sind, bricht die Form selbst – und das Neue tritt hervor.
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So wie sich eine Puppe langsam verändert, in ihrer Hülle langsam eine Form annimmt und dann innerhalb weniger Minuten schlüpft, so verläuft auch der gesellschaftliche Wandel: lange quantitativ, dann plötzlich der qualitative Sprung wenn der Schmetterling schlüpfen kann.
Wir können es auch so betrachten: Das was vor 248 Jahren mit dem Buch „Der Wohlstand der Nationen“ von Adam Smith (Smith, 2023) begonnen hat, ist nun vollendet.
Dieser Umschlag ist notwendig kurzfristig, weil er den Augenblick bezeichnet, in dem das Alte seine Legitimität verliert. Wenn der Bruch sich zu lange hinzieht, reorganisiert sich das Alte, stabilisiert seine Macht, zieht das Neue wieder in seine Formen zurück.
Darum ist die Revolution der Moment der Entscheidung, nicht die Zeit ihrer Vorbereitung.
Übertragen auf die Wiederinkraftsetzung der alten Naturgesetze der kostenlosen Rohstoffe und der unbezahlten Arbeit bedeutet dies: Der qualitative Sprung besteht in der gleichzeitigen Umstellung der gesamten Weltwirtschaft auf freiwillige Arbeit, wie sie im Care-Bereich selbstverständlich ist.
In dieser Gleichzeitigkeit verliert die Spirale „Produktion-Lohn-Konsum-mehr Produktion“ mit einem Male ihre Funktion. Dann können Rohstoffe, Naturprodukte und Arbeitsleistungen frei fließen, ohne den Zwang des Tausches.
Es ist eine Revolution, aber eine friedliche, eher symbolische Revolution, weil sich überhaupt nichts in materieller Hinsicht ändert. Der Tag nach der Revolution läuft genauso ab wie der Tag zuvor.
Aber am Tag danach bekommen wir alles, was wir zum Leben benötigen, geschenkt. Es wird ein großes, weltweites Fest des Glücks, welches dauerhaft bestehen bleiben kann.
4.5. David gegen Goliath
Die Transformation des Kapitalismus kann nicht in direkter Konfrontation erfolgen. Das global herrschende kapitalistische System hat sich in seiner fortgeschrittenen Phase immer mehr vervollkommnet und verselbständigt. Seine Macht zeigt sich darin, dass es jährlich um mehr als den Betrag des gesamten Bruttoinlandsproduktes der BRD wächst. Wir wissen, dass jede Kraft eine Gegenkraft erfordert und eine solch große Gegenkraft können wir nicht aufbringen.
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Eine Transformation kann auch nur gelingen, wenn dafür nicht Entscheidungen der Parlamente oder Gesetze nötig sind, die die Wirtschaft einschränken, denn dazu würde die verbleibende Zeit nicht ausreichen. Außerdem würde sich die Wirtschaft in diesem Falle dorthin zurückziehen, wo es weniger Widerstände gibt und Arbeitslosigkeit und Krise zurücklassen. Das lässt keine Regierung zu. Wegen der Globalisierung gibt es für die Wirtschaft keine Grenzen.
Es ist ein Kampf zwischen David und Goliath. David konnte nur gewinnen, weil er geschickt gehandelt und eine List angewendet hat. Um gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem zu gewinnen, müssen wir auch eine List anwenden.
Wir können geschickt handeln und verhindern, dass in der Produktion ein finanzieller Wert entsteht. Wenn dieser Tauschwert nicht entsteht, dann bleiben die Gaben der Schöpfung Geschenke, die wir uns gegenseitig mit unserer Arbeit schenken.
Jetzt kommen die beiden Naturgesetze ins Spiel.
Wenn die kostenlosen Gaben der Schöpfung unbezahlt bearbeitet und transportiert würden, blieben alle daraus entstehenden Produkte kostenlos. Es ist fast zu einfach, um es glauben zu können, aber es ist tatsächlich so.
Der Beweis, dass dieses Prinzip funktioniert, liegt im Care-Bereich selbst. Die „Reproduktionsmittel“, also etwa Gemüse und Salz für die Suppe, kaufen wir auf dem Markt. Sobald sie bezahlt sind, haben sie nur noch Gebrauchswert und bilden die kostenlose Basis für die Care-Arbeit. Weil wir für das Kochen keinen Lohn erhalten, können wir die Suppe unseren Kindern anbieten, ohne dass sie etwas dafür bezahlen müssen.
In der Produktion wäre es nicht die Suppe, sondern vielleicht der Stahl – gewonnen aus den Geschenken des Eisenerzes und der Steinkohle. Wenn alle dort ohne Lohn arbeiten würden, wäre der daraus hergestellte Spaten kostenlos.
Wenn der Bauer sein Feld unbezahlt bestellt, sät und erntet, kann er das Korn dem Müller schenken. Der Müller schenkt das Mehl dem Bäcker, und der Bäcker schenkt uns das Brot.
Der Eigentümer des Feldes wird dafür entschädigt, dass er alles Lebensnotwendige gratis erhält – so wie unsere Kinder die Suppe. Er benötigt keine Pacht, so wie auch die Eigentümer von Fabriken keinen Profit mehr brauchen. Denn alles, was wir zum Leben brauchen, ist dann genauso kostenlos wie das tägliche Essen auf allen Mittagstischen auf der ganzen Welt.
Sie könnten auch mit Pacht und Profit überhaupt nichts kaufen, weil ja alles gratis ist.
Diese Umstellung auf freiwillige Arbeit muss nicht nacheinander in einer bestimmten Reihenfolge geschehen – es kann gleichzeitig passieren. Wir könnten einfach weltweit am selben Tag auf unseren Lohn verzichten.
Wegen der Globalisierung muss das auch weltweit gleichzeitig erfolgen, damit alle Rohstoffe, Zwischenprodukte und Hilfsmittel zugleich kostenlos werden.
Es wäre ein weltweites Fest der freiwilligen Arbeit. Ein großes Fest, an dem mit einem Male alle Waren zu Geschenken werden. Wir wissen, wie glücklich wir sind, wenn wir zu kostenlosen Feiern eingeladen werden oder denken wir an Weihnachten und Ostern, die – trotz ihrer heutigen Kommerzialisierung – auf dem Prinzip des gegenseitigen Schenkens beruhen.
Diese Hochstimmung wird dafür sorgen, dass der Übergang gelingt.
Viele Menschen wünschen sich, dass das Bruttoinlandsprodukt eines Tages durch das Bruttonationalglück ersetzt wird – wie im Königreich Bhutan. Heute weiß niemand, wie das geschehen soll. Doch am Tag der freiwilligen Arbeit würden wir augenblicklich vom BIP auf das BNG umschalten. Nur noch das Glück zählte.
In der Wirtschaft müsste sich für diesen Übergang überhaupt nichts ändern. So wie Herd, Rührlöffel und Topf in einem Imbiss-Stand auch unbezahlt benutzt werden könnten, funktioniert die Wirtschaft genauso mit bezahlter wie mit freiwilliger Arbeit. Für die Produkte macht das keinen Unterschied – aber da der Lohn wegfällt, werden somit alle Waren zu Geschenken.
Wir müssten nur allen Menschen die Augen dafür öffnen, dass die alten Naturgesetze der Gaben der Schöpfung und der freiwilligen Arbeit noch immer wirken – so wie in der archaischen Gesellschaft. Und wir müssten uns auf einen Tag einigen, an dem es geschieht.
Vielleicht könnte schon der 1. Mai 2027 der Tag der unbezahlten Arbeit werden.
Wir können uns dem kapitalistischen Verwertungszwang einfach friedlich und freiwillig entziehen. Das ginge schnell und jederzeit, wenn wir global und gleichzeitig den Empfang unserer Löhne verweigern und somit die Produktion auf die Logik des Care-Bereiches heben. Die Wirtschaft hat keine Möglichkeit, sich gegen diesen freiwilligen Verzicht zur Wehr zu setzen.
Wichtig ist, dass dieser „geheime“ Plan weltweit kommuniziert wird und dabei müssen alle Menschen mithelfen.
4.5. Die Grenzen unserer Vorstellungskraft
Es lässt sich häufig beobachten, dass Prognosen über eine postkapitalistische Gesellschaft von falschen Voraussetzungen ausgehen. Der Grund dafür liegt darin, dass es uns äußerst schwerfällt, uns wirklich in eine solche Gesellschaft hineinzuversetzen. Wir versuchen meist, sie mit Begriffen und Denkmustern der uns bekannten Welt zu verstehen – einer Welt, in der Arbeit, Besitz und Geld die zentrale Rolle spielen. Doch diese Kategorien verlieren in einer geldfreien, freiwilligen und solidarischen Gesellschaft vollkommen ihren Sinn.
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Wenn wir etwa versuchen, uns die Mobilität in einer solchen Gesellschaft vorzustellen, denken wir automatisch an Autos, Straßen, Staus und Pendelverkehr. Vielleicht würden wir meinen, ein Auto pro Familie sei ausreichend.
Aber in einer Gesellschaft, in der Arbeit unbezahlt geleistet wird, entfällt auch der Zwang, täglich zwischen Wohn- und Arbeitsort zu pendeln. Niemand muss mehr weite Strecken zurücklegen, weil er dort mehr Geld verdient. Mobilität wird nicht verschwinden, aber sie wird ihren Zweck ändern: Sie dient nicht länger dem Zwang zur Erwerbsarbeit, sondern der Begegnung, der Kooperation, der Freude am Austausch. Ein „Pendeln“ wird es dann nicht mehr geben, weil es keinen Sinn ergeben würde. Wie viele Menschen würden sich dann noch die Mühe machen, ein eigenes Auto zu halten?
Dasselbe gilt für nahezu alle Lebensbereiche. Wohnen, Arbeiten, Lernen, Forschen, Reisen – all das verliert seine heutige, ökonomisch bestimmte Form. Wir werden nicht länger fragen, „wie viel es kostet“ oder „ob es sich lohnt“, sondern nur noch, ob es sinnvoll und nützlich für das gemeinsame Leben ist.
Eine große Barriere für unser Verständnis liegt bereits in der Frage, was und wie viel wir tatsächlich brauchen. Wir sind so sehr daran gewöhnt, dass Löhne gleich sein müssen – dass Frauen so viel verdienen sollen wie Männer und Tarifverträge festlegen, dass Tausende denselben Lohn erhalten.
Diese Gewohnheit erschwert es uns, darüber nachzudenken, dass jeder Mensch individuelle Bedürfnisse und Lebensumstände hat. Der eine braucht mehr, der andere weniger. Schon die Familiengröße müsste eigentlich Einfluss auf die Höhe der Löhne haben. Marx wies in seiner Kritik des Gothaer Programms auf diesen Widerspruch hin. Auch Konzepte wie Arbeitszeitrechnung können dieses Problem nicht wirklich lösen.
Dennoch fällt es uns schwer, uns eine Gesellschaft vorzustellen, in der Löhne nach Familiengröße oder Lebensweise bemessen würden. Und doch wäre genau das notwendig, wenn wir uns ein Bild einer Gesellschaft machen wollen, in der wahre Gerechtigkeit nicht durch gleiche Löhne, sondern durch die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse bestimmt wird.
Am schwierigsten ist es wahrscheinlich, uns Situationen vorzustellen, die sich heute durch größte Knappheit auszeichnen. Das sind Luxusartikel wie teurer Schmuck, teure Autos, teure Urlaube oder teure Wohnungen – sie sind für die meisten Menschen unerreichbar und deshalb am begehrenswertesten.
Versucht, euch diese zukünftige Situation vorzustellen, wenn sich das Geld aufgelöst hat, weil alles – ja alles – gratis ist. Plötzlich könnten wir uns einfach alles nehmen, theoretisch auch den teuren Schmuck, die teuren Autos, die teuren Urlaube oder die teuren Wohnungen. Wir könnten theoretisch sogar jeden Tag im Champagner baden. Diese Güter sind dann nicht mehr „knapp“. Wie begehrenswert werden sie dann noch sein?
Aber was noch wichtiger ist – diese Dinge haben keinen Preis mehr. Es ist für uns nicht mehr erkennbar, ob es früher einmal Luxusartikel waren. Ich würde mich nur ungern in einen Maserati-Sportwagen hineinquetschen oder dafür verantwortlich sein, eine riesige Wohnung mit vielen glänzenden Oberflächen zu putzen.
Wir werden in dieser Gesellschaft Dinge bevorzugen, die praktisch sind. Außerdem muss sich in einer solidarischen und geschwisterlichen Umgebung niemand hervorheben. Jesus Christus soll zu Lebzeiten immer gesagt haben: „Die Letzten werden die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“ (Mt. 19,30) (Testament, 1999) Ist das vielleicht damit gemeint?
Ähnlich wird es auch mit der „Drecksarbeit“ werden. Heute machen sie Menschen, die auf das Geld angewiesen sind, das sie dafür bekommen. Jeder, der die Chance auf mehr Geld hat, wird sich diese Arbeiten nicht gerade suchen.
In der neuen Gesellschaft werden wir solidarisch damit umgehen und uns dabei abwechseln, sodass sich viele in die wenige Drecksarbeit teilen, die dann noch bleibt. Viele dieser Arbeiten können dann automatisiert werden, wenn das Entscheidungskriterium Geld nicht mehr dazu führt, dass billige Arbeitskräfte viel weniger kosten als der Einsatz von Robotern. Wenn die Autofabriken für die Produktion von Robotern umgerüstet sind, wenn es wegen des nahezu vollständigen Recycling kaum noch Abfall gibt, dann wird sich das Problem der „Drecksarbeit“ relativieren.
Wer also eine Vorstellung davon gewinnen will, wie wir in einer postkapitalistischen Gesellschaft leben werden, muss bereit sein, alle heutigen Grundannahmen zu hinterfragen, auf denen unsere gegenwärtige Denkweise beruht. Wir müssen loslassen und einfach dieser dann solidarisch und geschwisterlich geprägten Sicherheit vertrauen.
Erst wenn wir diesen Schritt wagen, wird unsere Vorstellungskraft frei genug, um das Neue zu denken. Wir müssen durch das berühmte „Nadelöhr“ hindurch.
5. Die Befreiung – Ein Fest des Gebens
5.1. Das große Fest der Erleichterung und des Schenkens
Heute ist es soweit. Es ist der 1. Mai 2027, der Tag der freiwilligen Arbeit. Alle Menschen auf der Welt haben verstanden, dass wir lediglich die beiden vergessenen Naturgesetze wieder einsetzen müssen, um die Welt wieder geradezurichten.
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Alle Produkte sind deshalb ab heute kostenlos, deshalb brauchen getrost auf die Löhne, die Ursache der Spirale der Zerstörung unseres Planeten, verzichten. Aber davon merken wir überhaupt nichts.
Das erste, was wir feststellen werden ist, dass es in den Supermärkten weder Preisschilder noch Werbung gibt. Kein Schild mit „Angebot!“ ist zu sehen. Auch die Kassen sind nicht besetzt und alle Sperren stehen offen.
Zuerst herrscht vielleicht Stille, ein kurzes Zögern – dann Staunen. Manche nehmen vorsichtig ein Brot, eine Flasche Öl, ein paar Äpfel. Andere sehen sich um, als wollten sie sich vergewissern, dass das wirklich geschieht. Und dann geschieht es: Alle Menschen lächeln sich zu.
Sie nehmen sich nicht mehr als sie brauchen. Warum auch? Der Drang, zu horten, löst sich auf – ersetzt durch das Gefühl, dass alles da ist. So, wie an Weihnachten niemand alle Geschenke an sich reißt, sondern sich freut über das Geben und das Empfangen zugleich.
Menschen begegneten sich auf der Straße mit ihren Besorgungen, oft weniger als vorher, als noch mit „Nimm 2 zum Preis von 1“ zum Kauf aufgefordert wurde – und alle tragen dieses Lächeln, dieses stille, überwältigende Glück in den Augen.
Es ist, als würde sich eine unsichtbare Last lösen. Die Angst vor dem „Zuwenig“ ist verschwunden, ersetzt durch das Vertrauen in die Zukunft.
Bald stellen sich in den Läden Menschen auf, nicht um zu verkaufen, sondern um zu helfen: beim Verteilen, beim Ordnen, beim Erklären. Andere bringen Überschüssiges aus dem Garten mit, Kleidung, Bücher. Alles fließt weiter, aber ohne den Klang des Geldes.
Diese ersten Tage wird man später das große Fest der des Schenkens und der Erleichterung nennen. Kein Lärm, kein Triumph, kein Chaos – nur eine unendliche Ruhe, eine weltumspannende Harmonie des Schenkens.
Von Stadt zu Stadt, von Kontinent zu Kontinent breitet sich dieses stille Fest innerhalb von Stunden aus. Überall das gleiche Bild: Menschen, die einander anlächeln, weil sie verstanden haben, dass die Welt sich verändert hat – nicht durch Nehmen, sondern durch Geben.
Und niemand fragt mehr: „Wie viel kostet das?“ Denn alles, was zählt, ist endlich frei.
Eigentlich hat sich überhaupt nichts geändert. Das Handy ist noch da, die Straßen sind noch voller Autos und morgen früh gehen wir wieder auf Arbeit, zum Studium oder in die Schule.
Aber in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten wird es große Veränderungen geben. Die Wirtschaft wird sich von ganz alleine zu einem Hilfsmittel der Menschen entwickeln. Über Internetplattformen wird sie fragen: „Was braucht ihr?“ und die künstliche Intelligenz, die dann allen gehört, sorgt dafür, dass wirklich alle Menschen so versorgt werden, um ein Leben in Würde führen zu können.
5.2. Das gemeinsame Glück – Vom Brot der Kaiser zum Geschenk der Gemeinschaft
Seit den frühen Hochkulturen gilt das Fest als Moment, in dem Gesellschaft sich selbst feiert – und zugleich vergisst, dass sie geteilt ist. Wenn Brot, Wein und Musik frei verteilt werden, entsteht eine Atmosphäre, die über das Alltägliche hinausweist: Menschen spüren, dass Glück nicht im Besitz, sondern im Gleichklang der Freude liegt.
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Zweitausend Jahre später, in einem Berliner Winter, wiederholt sich dieselbe Geste in völlig anderem Sinn. Wenn Frank Zander jährlich tausende Obdachlose zum Weihnachtsessen einlädt, verwandelt sich eine kalte Halle in einen Ort der Wärme (Breitfeld, 2024). Hier schenkt niemand „nach unten“. Die Freiwilligen, Musiker, Ärztinnen und Gäste bilden eine Gemeinschaft auf Zeit, in der das Prinzip des Tauschwerts für einige Stunden aufgehoben ist. Menschen, die sonst getrennt sind durch Einkommen, Beruf oder Wohnung, teilen denselben Moment der Fülle. Das Glück, das dabei entsteht, ist kein Spektakel – es ist das Aufleuchten eines anderen gesellschaftlichen Prinzips: Schenken ohne Gegenleistung.
Soziologisch lässt sich dieses Phänomen auf zwei klassische Denkfiguren beziehen.
Erstens auf Émile Durkheim’s Begriff der kollektiven Ergriffenheit (effervescence collective): Wenn Menschen gemeinsam feiern, geraten sie in einen Zustand gesteigerter Verbundenheit, der das individuelle Bewusstsein übersteigt. Diese kollektive Energie stiftet Identität, Vertrauen und Sinn (Émile Durkheim, 1995 / 1912).
Zweitens auf Marcel Mauss’ Theorie der Gabe (Essai sur le don, 1925): Jede Gabe erzeugt soziale Bindung. In vormodernen Gesellschaften war das Schenken nicht ökonomisch, sondern moralisch begründet – es formte Gemeinschaft statt Konkurrenz (Mauss, 1990).
Moderne empirische Studien bestätigen diese Wirkung. Eine Untersuchung über Festivals in Südostasien zeigt, dass gemeinschaftliche Feste das subjektive Wohlbefinden signifikant erhöhen und soziale Kohäsion stärken (Young-joo Ahn, 2023). Forschungen zu großen Massenereignissen wie Burning Man oder spirituellen Zusammenkünften beschreiben „transformative Erfahrungen“: Gefühle von Einheit, Sinn und universeller Verbundenheit (Daniel Yudkin, 2022). Selbst in digitalen Räumen zeigt sich, dass Schenkbewegungen – etwa virtuelle Geschenke – spontane Wellen von Vertrauen und Großzügigkeit auslösen (Yuan Yuan, 2019).
All diese Phänomene verweisen auf ein anthropologisches Grundgesetz:
Wenn Güter, Zeit und Aufmerksamkeit ohne Preis geteilt werden, steigt das Glücksgefühl aller Beteiligten – nicht trotz, sondern gerade weil der Tauschwert aufgehoben ist. (Ariely, 2009)
Hier öffnet sich der Weg zu einer möglichen Ordnung, in der freiwillige Arbeit und Schenkökonomie nicht Ausnahme, sondern Alltag sind. Das Fest wäre dann kein Sonderzustand, sondern die Grundform gesellschaftlicher Existenz. Was heute als Weihnachtsessen für Bedürftige gilt, ist nach der Umstellung die selbstverständliche Struktur einer globalen, wachstumsfreien Wirtschaft.
5.3. Der entscheidende Schritt:
der Übergang
Kein Umsturz, sondern ein symbolischer Akt
Der Übergang zur freiwilligen Arbeit ist kein gewaltiges Ereignis. Er geschieht leise – als symbolischer Akt. Wir müssen so geschickt und klug sein wie David, als er Goliath besiegte.
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Warum symbolisch?
Weil wir ohnehin gewohnt sind, unsere Arbeit viele Tage oder Wochen vorzuleisten, bevor der Lohn gezahlt wird. Diese zeitliche Verschiebung erlaubt es, den Übergang zu vollziehen, ohne dass jemand den Eindruck hat, wirklich auf etwas verzichten zu müssen.
Kontinuität und Sicherheit
Am Tag der Umstellung darf sich im Alltag der Menschen nichts spürbar ändern. Die Produktion muss unverändert weitergehen, damit keine Unsicherheit oder Panik entsteht.
Es handelt sich um eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern: Bisher haben wir die Hälfte unserer Monatsarbeit vorgeschossen, weil die Löhne immer später kommen.
Nun arbeiten wir, nur dass die Arbeit ab diesem Tag freiwillig und ohne Lohn erfolgt. Gleichzeitig werden die Produkte kostenlos herausgegeben – da ja bei der Produktion keine Kosten mehr entstehen.
Alle bestehenden Produktionsketten bleiben übergangsweise bestehen. Meist handelt es sich um langfristige Vertragsbeziehungen. Diese Routine wird durch den Übergang nicht gestört. Keine Fabrik wird geschlossen, kein Betrieb beeinträchtigt. Der Unterschied liegt allein darin, dass die Bezahlungen entfallen weil sie überflüssig geworden sind.
Vom Tauschwert zum Geschenk
Sobald keine Löhne mehr gezahlt werden, entsteht kein Tauschwert mehr. Die Produkte und Dienstleistungen, die bisher als Waren galten, verlieren ihren Preis und werden zu Geschenken. Die Arbeit wird nicht mehr durch Geld vermittelt, sondern durch Gewohnheit und gegenseitige Solidarität.
Wenn alle Menschen bedingungslos versorgt sind, verschwindet die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, Armut und Existenzbedrohung. Entscheidungen werden nicht länger von Konkurrenz bestimmt, sondern von gegenseitiger Hilfe.
Eine neue Beziehung zur Erde
Alle Menschen, auch die Besitzer der Fabriken, der Grundstücke, auf denen die Bodenschätze gefördert werden und der Felder können gratis auf alles zugreifen, was sie zum Leben brauchen. Deshalb und auf Grund der Tatsache, dass sie mit Grundrente oder Profit nichts mehr kaufen könnten, werden sie akzeptieren, dass ihr Besitz durch die Gesellschaft genutzt wird.
So entsteht eine neue Beziehung zur Natur. Boden und Rohstoffe sind keine Besitzobjekte mehr, sondern gemeinsame Lebensgrundlagen. Wer sie nutzt, tut dies im Bewusstsein, dass sie allen gehören – den Lebenden, den Zukünftigen und der Erde selbst.
6. Transformation der Wirtschaft
6.1. Die Auflösung des Gleichungssystems – Vom Wert zur Bedürfnislogik
Der Kapitalismus kann als ein in sich geschlossenes Gleichungssystem verstanden werden. Seine Variablen – Arbeit, Rohstoff, Eigentum, Lohn, Profit – stehen in wechselseitiger Abhängigkeit. Jede von ihnen erhält ihren Sinn nur durch die anderen. Arbeit ist Lohnarbeit, weil Eigentum an Produktionsmitteln existiert; Eigentum ist einkommensrelevant, weil Arbeit Wert produziert; und Wert entsteht, weil Rohstoffe und Arbeitskraft in Warenform auf den Markt treten.
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Dieses System ist in sich stabil, solange seine zentralen Bedingungen – Knappheit und Tauschwert – aufrechterhalten werden. Doch genau diese Bedingungen sind menschengemacht und somit aufhebbar. Wenn die Menschheit kollektiv beschließt, ihre Rohstoffe gemeinsam zu nutzen und Arbeit freiwillig zu leisten, löst sich das alte Gleichungssystem schlagartig auf.
In der Sprache der Ökonomie lässt sich dieser Prozess einfach darstellen.
Marx beschrieb den kapitalistischen Produktionsprozess in der Formel:
W = 𝑐 + 𝑣 + 𝑚
wobei 𝑐 das konstante Kapital (Maschinen, Rohstoffe), 𝑣 das variable Kapital (Löhne) und 𝑚 den Mehrwert bezeichnet. Solange 𝑐 und 𝑣 gesellschaftlich relevante Kosten darstellen, kann 𝑚 > 0 sein, also ein Profit entstehen.
Wenn die beiden Gesetze der kostenlosen Rohstoffe und der unentgeltlichen Arbeit in der Produktion wieder eingesetzt werden, dann löst sich die Notwendigkeit, Löhne zu bekommen auf, weil in der Produktion keine Kosten mehr entstehen und die Produkte frei verfügbar sind.
Außerdem löst sich das Eigentum auf, denn durch die kostenlose Verfügbarkeit der Waren entfällt die Möglichkeit, Profit und Rente für etwas zu verwenden.
In dieser Situation freiwilliger Arbeit und freier Ressourcen gilt:
𝑐 =0, 𝑣 =0, 𝑚 =0
Damit verschwindet auch der Warenwert 𝑊 = 0.
Die Kategorien von Preis, Profit und Eigentum verlieren ihre Bedeutung.
Das Gleichungssystem des Kapitalismus ist an dieser Stelle mathematisch gelöst, aber zugleich gesellschaftlich aufgehoben.
Es bleibt keine ökonomische Variable übrig, die sich auf Knappheit oder Verwertung bezieht.
Diese Aufhebung ist nicht bloß ein ökonomischer Vorgang, sondern eine Transformation der gesellschaftlichen Logik.
Solange Wert produziert wird, steht die Arbeit im Dienst des Tauschs.
Mit dem Verschwinden des Werts verliert Arbeit ihre Funktion als Quelle des Profits und wird zu dem, was sie ursprünglich ist: schöpferische Tätigkeit zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.
Der Übergang von der Wertlogik zur Bedürfnislogik
Die alte Wertlogik folgt der Formel:
( 𝑐 , 𝑣 , 𝑚 ) ⇒ 𝑊 ⇒ 𝐺 ⇒ 𝑃.
also:
Rohstoffe und Arbeit → Ware → Geld → Profit.
Sie ist ein geschlossener Kreislauf, der nur funktioniert, wenn er Ungleichheit und Knappheit aufrechterhält.
Die neue Bedürfnislogik hingegen reduziert das gesamte gesellschaftliche System auf seine einfachste Form:
𝐵 = 𝑓 ( 𝑁 , 𝑇 )
Bedürfnisbefriedigung 𝐵 ergibt sich aus den vorhandenen Bedürfnissen (𝑁) und den technischen Möglichkeiten (𝑇), sie zu erfüllen.
Die Relation zwischen Menschen und Dingen ist nicht mehr durch Tausch vermittelt, sondern durch Einsicht, Kooperation und technische Organisation.
Während das kapitalistische Gleichungssystem nach Verwertung strebt, strebt das neue System nach Deckung:
Nicht mehr Mehrwert, sondern Bedarfsgleichgewicht ist sein Ziel.
Die Wertlogik beruht auf der ständigen Differenz zwischen Produktion und Konsumtion, zwischen Haben und Nicht-Haben.
Die Bedürfnislogik hingegen kennt diese Differenz nicht mehr – sie ersetzt sie durch unmittelbare Verfügbarkeit.
Was hergestellt werden kann, wird hergestellt, weil es gebraucht wird; und was gebraucht wird, steht zur Verfügung, weil niemand mehr verhindern muss, dass andere es nutzen.
Die Auflösung der ökonomischen Kategorie
Man könnte sagen:
- Marx hat das Gleichungssystem des Kapitals entschlüsselt.
- Die Care-Wirtschaft löst es auf.
Die ökonomischen Variablen verlieren ihren gesellschaftlichen Charakter. Sie werden zu bloßen technischen Größen.
Rohstoffe sind keine Kosten mehr, sondern gemeinsame Grundlage; Arbeit ist keine Ware mehr, sondern freiwillige Tätigkeit; Eigentum ist kein Machtmittel mehr, sondern Erinnerung an eine vergangene Epoche.
In dieser neuen Ordnung gilt nicht länger:
Wert→Geld→Profit
sondern:
Bedarf ↔ Befriedigung
Ein einfaches, transparentes Gleichgewicht ersetzt das komplexe, sich selbst erhaltende Ungleichgewicht der Wertform.
Wo früher Konkurrenz herrschte, entsteht Kooperation; wo früher Eigentum trennte, verbindet nun die gemeinsame Nutzung.
Die gesellschaftliche Rationalität befreit sich von der Logik des Mangels und findet zu ihrer ursprünglichen Form zurück: der Logik der Teilhabe.
Schlussgedanke
Die Auflösung des kapitalistischen Gleichungssystems ist kein Zusammenbruch, sondern eine Vereinfachung. Sie gleicht einer mathematischen Reduktion: Man eliminiert überflüssige Variablen, bis nur noch die wesentlichen Relationen übrig bleiben.
Diese Relationen heißen in der neuen Epoche nicht mehr Arbeit, Lohn, Profit, sondern Bedürfnis, Fähigkeit, Gemeinschaft.
Die Weltwirtschaft wird so von einem in sich gespannten Wertsystem zu einem offenen, freien Organismus menschlicher Selbstorganisation.
Das, was einst als ökonomische Notwendigkeit erschien, erweist sich dann als historische Übergangsform – eine Gleichung, deren Lösung bereits in ihr selbst angelegt war.
6.3. Digitale Infrastruktur ersetzt den Markt
Die Rolle der digitalen Vermittlung
In einer auf freiwilliger Arbeit basierenden Wirtschaft jedoch fällt das Profitmotiv weg, und mit ihm die Notwendigkeit, Konsum künstlich anzuregen. Die Produktion richtet sich dann nicht mehr nach dem Markt, sondern nach realem gesellschaftlichem Bedarf.
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An die Stelle des Marktes tritt das Internet als Raum der Vermittlung:
Hier können alle verfügbaren Leistungen, Produkte und Potenziale sichtbar gemacht und alle Bedarfe gemeldet werden. Eine demokratisch kontrollierte künstliche Intelligenz übernimmt die Aufgabe, Angebot und Bedarf optimal aufeinander abzustimmen – nicht nach Profit, sondern nach Bedarf und Nachhaltigkeit.
Just-in-Time statt Fünfjahresplan
Die alte Vorstellung zentraler Planwirtschaft mit starren Produktionszielen ist überholt. In einer vernetzten Welt, in der alle Produktions- und Verbrauchsdaten digital erfasst werden können, ist es möglich, dynamisch auf Veränderungen zu reagieren – in Echtzeit.
Jede Entnahme von Gütern, sei es ein Lebensmittel oder ein Ersatzteil, erzeugt heute bereits digitale Signale: Kassensysteme, Lagerlogistik und Bestellsysteme kommunizieren miteinander. Auch Wohngemeinschaften oder Menschen können so ihren Bedarf an Leistungen, z.B. Reparaturen anmelden.
In der marktfreien Wirtschaft werden diese Signale weiter genutzt, aber nicht zur Preisbildung oder Profiterwartung, sondern zur reinen Bedarfsanalyse. Die KI erfasst, was gebraucht wird, erkennt Muster, gleicht regionale Unterschiede aus und gibt Handlungsempfehlungen an die Produzierenden, bis hin zu zivilgesellschaftlichem Potential wie Reparaturcafes.
Dezentrale Koordination statt Markt
Anstelle eines anonymen, unkontrollierbaren Marktes tritt ein transparentes, kooperatives Netzwerk, welches basisdemokratisch überwacht wird. Produktionsstätten, Lager, Ausgabestellen und Reparaturzentren sind digital verknüpft. Schnittstellen zwischen Betrieben bleiben erhalten, doch die Bestellung erfolgt nicht mehr durch „Kauf“, sondern durch Bedarfsmeldung.
Die Lieferverträge, die vor der Umstellung galten, können zunächst weiterlaufen, sie werden allmählich durch neue Kooperationsvereinbarungen ersetzt, die auf Solidarität und gemeinsamer Verantwortung beruhen.
KI kann dabei helfen, Prozesse zu optimieren, Verschwendung zu minimieren und den Energieeinsatz zu senken. Sie erkennt Wartungsbedarf, koordiniert Transporte und hilft dabei, Ressourcen schonend und effizient einzusetzen. In Bereichen, in denen Automatisierung noch nicht möglich ist, können Menschen freiwillig tätig werden, nicht durch Zwang motiviert, sondern durch Sinnstiftung und soziale Anerkennung.
Demokratische Steuerung und Mitbestimmung
Die digitale Vernetzung schafft auch neue Möglichkeiten basisdemokratischer Beteiligung. Regionale Versorgungsräte, Plattformen für Prioritätensetzung, kollektive Rückmeldesysteme – all das lässt sich mit heutigen Technologien abbilden. Die Menschen können direkt mitentscheiden, was wie und wo produziert wird. Die KI dient dabei als Werkzeug zur Entscheidungsunterstützung.
Schrumpfende Wirtschaft – wachsendes Leben
Ohne Werbung, geplante Obsoleszenz und Konkurrenzdruck wird weniger produziert – und zwar genau das, was gebraucht wird. Die KI erkennt, wenn die Nachfrage sinkt, und reduziert die Produktion entsprechend. Ressourcen werden geschont, die Umwelt entlastet, das Klima geschützt.
Die schrumpfende Wirtschaft ist kein Zeichen der Krise, sondern der Befreiung. Denn: Je weniger gearbeitet werden muss, desto mehr Zeit bleibt für Familie, Freunde, Sport, Hobbys und die Zivilgesellschaft.
6.4. Fortschritt durch Wunsch auf Verbesserung statt Vermarktung
Das oft gehörte Argument, nur Konkurrenz und Wettbewerb könnten Innovation und Fortschritt hervorbringen, beruht auf einer Verwechslung zwischen Marktmechanismen und menschlicher Kreativität. Es trifft zu, dass Konkurrenz innerhalb eines Marktes die Unternehmen dazu zwingt, Produkte zu verbessern, um Marktanteile zu sichern. Doch diese Dynamik ist an das Profitmotiv gebunden – nicht an die eigentliche Fähigkeit der Menschen, Neues zu schaffen.
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Die meisten großen technischen und wissenschaftlichen Fortschritte der Menschheit sind nicht aus Konkurrenz, sondern aus gemeinsamer Problemlösung entstanden.
Beispiele:
- Das Internet, Linux, Wikipedia oder Open-Source-Software beruhen auf freiwilliger, kooperativer Arbeit ohne Konkurrenzdruck.
- In der Wissenschaft wird Wissen in offenen Netzwerken geteilt; Fortschritt entsteht durch Kooperation, nicht durch geheime Rivalität.
- Medizinische und technologische Innovationen in Krisenzeiten (etwa Impfstoffentwicklung, Katastrophenhilfe, Weltraumforschung) beruhen auf Zusammenarbeit, nicht auf Marktmechanismen.
Der Mensch ist kein passiver Konsument, der nur durch Druck kreativ wird, sondern ein aktives, neugieriges, soziales Wesen, das Sinn und Anerkennung sucht. Wenn die äußere Konkurrenz wegfällt, bleibt die innere Motivation: etwas zu verbessern, das eigene Können zu entfalten und gesellschaftlich beizutragen.
Marktwettbewerb fördert vor allem jene Innovationen, die Profit steigern, nicht jene, die gesellschaftlich sinnvoll sind.
Das führt zu Phänomenen wie geplanter Obsoleszenz (Produkte, die absichtlich früh kaputtgehen), Überproduktion, Ressourcenverschwendung, Werbung statt echter Verbesserung.
Unter Konkurrenzbedingungen muss jede Innovation marktfähig sein – sie muss sich also verkaufen. Dadurch werden viele wertvolle Ideen nie verwirklicht, weil sie sich nicht „rechnen“. In einer kooperativen, geldfreien Produktionsweise dagegen entscheidet der gesellschaftliche Nutzen, nicht der Preis.
Kooperation als eigentliche Triebkraft der Evolution
Auch die Natur basiert nicht primär auf Konkurrenz, sondern auf gegenseitiger Abhängigkeit. Ökosysteme funktionieren durch Symbiose: Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen entwickeln sich in gegenseitiger Anpassung weiter. Konkurrenz existiert, aber sie ist nicht der Motor, sondern ein regulierendes Moment. Der entscheidende Antrieb für Stabilität und Anpassungsfähigkeit ist Kooperation.
Das lässt sich auch auf menschliche Gesellschaften übertragen: Zivilisation, Sprache, Technik und Kultur sind kollektive Leistungen, keine Produkte individueller Konkurrenz.
In einer geldfreien, freiwilligen Produktionsweise wie der Benharmonia entsteht Innovation nicht durch Konkurrenz, sondern durch gemeinsames Interesse an Verbesserung. Menschen entwickeln Neues, weil sie sehen, dass es allen nützt – nicht, weil sie andere übertreffen müssen. Wissenschaft, Handwerk und Technik werden zu freien, kollektiven Tätigkeiten, deren Ziel nicht Profit, sondern das gute Leben ist.
In diesem Kontext ist das Argument der „Bequemlichkeit ohne Konkurrenz“ nur eine Projektion aus der Marktlogik:
- Wer arbeitet, um zu überleben, braucht äußeren Druck.
- Wer arbeitet, weil er Sinn und Anerkennung erfährt, braucht ihn nicht.
Psychologische Forschung bestätigt: intrinsische Motivation ist stärker
Zahlreiche Studien zeigen, dass intrinsische Motivation (Neugier, Sinn, soziale Anerkennung) langfristig leistungsfähiger und kreativer macht als extrinsische Anreize (Geld, Konkurrenz, Belohnung). Wenn Menschen frei und kooperativ arbeiten können, steigt die Qualität der Arbeit, die Freude am Tun – und damit auch der Fortschritt. (Ryan & Deci, 2000) (Kohn, 1999) (Ariely, 2009)
6.5. Übergangsweise Duldung von Benachteiligung
Direkte Folgen des Übergangs
Unmittelbar nach dem weltweiten Übergang zu freiwilliger Arbeit kann es zu vorübergehenden Ungerechtigkeiten kommen, wenn viele Menschen aus dem Finanz- und Versicherungsbereich erst einmal zu Hause bleiben, die Produktion aber unverändert weitergehen muss.
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Viele Tätigkeiten können nicht sofort vollständig automatisiert oder auf alle verteilt werden. In dieser Phase übernehmen einige wenige Menschen die Verantwortung für Arbeiten, die andere vermeiden, obwohl alle von der Versorgung profitieren.
Aber es gibt zwei Effekte, die dafür sorgen, dass die Arbeit besser verteilt werden kann,
- Die Produktion wird in vielen Bereichen zurückgehen weil keine Aufforderung zum Konsum mehr besteht
- Die Menschen erhalten alles Lebensnotwendige als Geschenk. Sie werden sich dafür revanchieren wollen und dabei helfen, dass die Arbeit möglichst gerecht verteilt wird.
Dabei wird die Vernetzung und die Koordinierung durch die Künstliche Intelligenz gute Dienste leisten.
Heute wird die Automatisierung der Produktion aus Angst vor dem Wegfall von Arbeitsplätzen behindert. Wenn alle Menschen automatisch versorgt sind, dann kann die Automatisierung voll wirksam werden. Der heutige Stand von Wissenschaft und Technik ist so hoch, dass es möglich ist, viele Arbeitsgänge zu automatisieren.
Im Vorfeld der Umstellung muss auf diese Situation eingegangen werden. Es ist wichtig, zu vermitteln, dass die Benachteiligung bei der Umstellung nur temporär ist.
Würde es keine Umstellung geben, dann würde die Ungerechtigkeit dauerhaft bestehen bleiben.
6.6. Die weitere Entwicklung der Wirtschaft
Regelmäßige Produktion
Am Tag der weltweiten Umstellung auf freiwillige Arbeit bleibt die materielle Infrastruktur unverändert erhalten. Produktionsanlagen, Transportmittel, Energieversorgung, digitale Netzwerke und Kommunikationssysteme arbeiten weiter, es gelten langfristig erprobte Lieferverträge. Auch die Menschen gehen ihren gewohnten Tätigkeiten nach.
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Kontinuität der Lieferbeziehungen
Die überwiegende Mehrheit aller Lieferbeziehungen ist vor der Umstellung stabil, regelmäßig und auf gegenseitiger Verlässlichkeit aufgebaut. Bäckereien beziehen ihr Mehl weiterhin von vertrauten Mühlen, Industriebetriebe ihre Komponenten von bewährten Zulieferern. Diese Beziehungen bleiben unverändert bestehen.
Die Teilnehmer kennen Mengen, Qualitäten und Zeitpläne. Im Zeitpunkt der Umstellung und in den Tagen danach wird sich daran nichts ändern, weil das Leben wie gewohnt weitergeht.
Da kein Geld mehr fließt, entfallen lediglich Zahlungsfristen, Rechnungen und Verträge, aber die tatsächlichen Material- und Informationsflüsse laufen in unveränderter Weise weiter.
Die Kommunikation erfolgt in derselben Form – per elektronischem Datenaustausch, nur mit anderen Kennziffern. Anstelle von Preisen werden Bedarfsgrößen, Kapazitäten und Prioritäten angegeben.
Beispiel 1: Bäckerei
Eine mittelgroße Bäckerei, die bisher täglich etwa 5 000 Brote produzierte, setzte ihre Tätigkeit ohne Unterbrechung fort. Die Mitarbeitenden kommen wie gewohnt, die Rohstofflieferungen treffen ein, der Betrieb läuft stabil.
Das Einzige, was sich ändert, ist die Form der Bilanzierung.
Bäckerei Sonnengold – 1. Woche nach der Umstellung
| Empfangen | 3 t Weizenmehl, 1 t Vollkornmehl, 20 kg Salz |
| Verarbeitet | 4 t Mehl → 5 000 Brote |
| Verteilt an | 600 Haushalte, 3 Schulen, 1 Pflegeheim |
| Bedarfsdeckung | 98 % |
| Anmerkung | Bedarf stabil, keine Überproduktion |
Die finanzielle Buchhaltung wird durch eine Material- und Wirkungsbilanz ersetzt. Sie dokumentiert, welche Mengen eingesetzt und welche Bedarfe gedeckt wurden. Auf Grundlage dieser Daten können Arbeits- und Lieferprozesse weiterhin geplant und verbessert werden.
Die Motivation der Beschäftigten ergibt sich aus dem offensichtlichen gesellschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit, nicht aus individueller Entlohnung.
Beispiel 2: Batterieproduktion
In einem großen Industriebetrieb zur Herstellung von Batteriemodulen für Elektrofahrzeuge verläuft die Umstellung in gleicher Weise. Die bestehenden Produktionslinien, Lagerstrukturen und Lieferketten bleiben vollständig erhalten. Die Zulieferer aus der Rohstoffaufbereitung und der Elektronikfertigung liefern wie gewohnt weiter.
Die finanzielle Koordination wird durch ein bedarfsorientiertes Berichtssystem ersetzt, das Materialströme, Energieverbrauch und Verteilungsergebnisse erfasst.
Batteriewerk Süd – 1. Monat nach der Umstellung
| Produziert | 30 000 Batteriemodule |
| Energieverbrauch | 8 GWh (100 % erneuerbar) |
| Rohstoffanteil Recycling | 86 % |
| Verteilt an | 120 Regionen weltweit |
| Versorgungsgrad | 94 % |
| Anmerkung | Keine Engpässe, Recyclingausbau empfohlen |
Die frühere Finanzbuchhaltung entfällt. Die Steuerung erfolgt über Bedarfsdaten: Welche Regionen benötigen wie viele Batterien in welchem Zeitraum?
Die bisherigen ERP-Systeme bleiben nutzbar, da sie ohnehin Mengen-, Zeit- und Ortsdaten verwalten. Lediglich die geldbezogenen Spalten (Kosten, Preise, Erlöse) werden deaktiviert. Somit kann der Betrieb ohne strukturelle Anpassung weitergeführt werden.
Technische Umsetzung
Die technische Grundlage für den Übergang ist bereits vorhanden. Moderne Unternehmenssoftware (ERP-, Logistik- und Produktionssysteme) arbeitet mit realen Mengen- und Zeitdaten, die bisher zur Berechnung von Geldwerten herangezogen wurden. In der neuen Struktur werden diese Geldwerte einfach nicht mehr benötigt.
Das bedeutet: Die Datenarchitektur bleibt identisch. Nur die Auswertungslogik wird angepasst (z. B. von „Kostenoptimierung“ auf „Versorgungsgrad“). Liefer- und Produktionsnetzwerke bleiben unverändert aktiv.
Damit kann die globale Versorgung aufrechterhalten werden, ohne dass Produktionsketten neu aufgebaut werden müssen.
Neue Bilanzformen
Die traditionelle Finanzbilanz wird ersetzt durch Wirkungs- und Versorgungsbilanzen. Diese dienen nicht der Bewertung, sondern der Übersicht und Optimierung.
| Kategorie | Inhalt |
| Ressourceneinsatz | Materialien, Energie, Arbeitszeit |
| Output | hergestellte Güter und Dienstleistungen |
| Versorgungsgrad | Anteil der gedeckten Bedarfe |
| Ökologische Wirkung | Energieeffizienz, Recycling, Emissionen |
| Soziale Wirkung | Zufriedenheit, Sicherheit, Zusammenarbeit |
Diese Bilanzform erlaubt eine präzise Analyse, ohne Rückgriff auf Geldgrößen. Sie misst den realen Nutzen der Arbeit und die Effektivität der Versorgung. Damit bleibt Planung möglich, jedoch ohne ökonomischen Druck oder Profitziele.
Ergebnis
Die Umstellung auf freiwillige Arbeit führt nicht zu einer Gefährdung der Versorgung. Da die materiellen, logistischen und informellen Strukturen intakt bleiben, funktioniert die Wirtschaft weiter – mit demselben technischen Fundament, aber ohne geldbasierte Vermittlung.
Die Produktion bleibt stabil, die Verteilung wird transparenter, und die Steuerung erfolgt über Bedarfsdaten statt über Kaufkraft. Insgesamt reduziert sich der Verwaltungsaufwand erheblich, während die reale Koordination einfacher und nachvollziehbarer wird.
Das Ergebnis ist keine neue Produktionsweise im technischen Sinn, sondern eine Neuausrichtung des Zwecks: von Gewinnstreben zu bedarfsgerechter Versorgung.
Infrastrukturprojekte
Besondere Projekte sind hauptsächlich regional geprägt. Sie werden von den Kommunen basisdemokratisch beschlossen.
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Es wird beispielsweise nicht mehr notwendig sein, Großprojekte wie den Autobahnbau zu favorisieren, weil der Transport rapide abnehmen wird. Es ist nicht mehr nötig, die Milch vom Norden in den Süden zu transportieren, weil sie dort vielleicht 2 Cent mehr Umsatz bringt. Das betrifft wahrscheinlich den größten Teil der Produkte, die später hauptsächlich regional erzeugt werden. Für hochwertige und langlebige Erzeugnisse wird eine reduzierte Infrastruktur ausreichen.
Aber wenn durch eine Gemeinde die Errichtung eines regionalen Gesundheitszentrums beschlossen wird, dann wird eine entsprechende Anfrage im Internet veröffentlicht und die KI sorgt dafür, dass alle potentiellen Unternehmen informiert werden. Möglicherweise gibt es kooperative Zusammenschlüsse, vielleicht kommen die Bauarbeiter mit ihren Familien und nutzen dies für den kulturellen und sozialen Austausch. Wohnraum steht kostenlos zur Verfügung und auf Grund des Geschenkcharakters ist jeder Mensch bestrebt, diesen auch zu pflegen.
Die Zulieferung für dieses Bauvorhaben erfolgt nach Bedarf und nach Anforderung. Die Industrie ist heute so flexibel, um darauf reagieren zu können, ohne dass ein Fünfjahresplan aufgestellt werden muss.
7. Gesellschaftliche Veränderungen
7.1. Die gesellschaftliche Kraft
Die gesellschaftliche Kraft ist nicht mehr, zu arbeiten, um Lohn zu bekommen, weil man sonst verhungert.
Die gesellschaftliche Kraft ist, mitzuhelfen, damit alle Menschen genügend Essen bekommen.
7.2. Steuern und Sozialsysteme werden überflüssig
In einer Gesellschaft, in der jeder Mensch uneingeschränkten Zugang zu allem Lebensnotwendigen hat, entfällt die Notwendigkeit für die traditionellen kapitalistischen Sozialsysteme, die auf der Organisation und Verwaltung von Armut und Ungleichheit beruhen. Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherungen verlieren ihren Zweck, weil die Frage des Existenzminimums und der sozialen Absicherung nicht mehr über Löhne und Einkünfte geregelt wird.
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In einer Gesellschaft ohne Profit- und Lohnarbeit, in der die Produktion auf freiwilliger Basis erfolgt und jeder Mensch unabhängig vom Arbeitsmarkt Zugang zu den notwendigen Ressourcen hat, erübrigt sich der gesamte bürokratische Apparat, der zur Aufrechterhaltung dieser Sozialsysteme notwendig war. Denn es besteht für alle Menschen der bedingungslose Zugang zu allem, was für ein glückliches und zufriedenes Leben nötig ist.
In einer solchen Gesellschaft erübrigen sich also Arbeitslosenversicherungen, die ursprünglich dazu dienten, die prekäre Existenz von Arbeitern in Zeiten der Arbeitslosigkeit abzufedern. Denn in einer Gesellschaft, in der jeder Mensch durch freiwillige Arbeit und das Prinzip des Gebens versorgt wird, entfällt dieser Mechanismus der sozialen Sicherheit, der auf der fortwährenden Notwendigkeit der Lohnarbeit aufbaut.
Das gleiche gilt für das System der Rentenversicherung. In einer Gesellschaft, in der alle Menschen automatisch versorgt sind, gibt es keine Notwendigkeit für das Ansparen von Geldern für das Alter. Es gibt keine sozialen Klassen, die durch den Zwang zur Lohnarbeit und den damit verbundenen existenziellen Druck in unterschiedliche soziale Lagen aufgespalten werden. Alle sind gleichermaßen versorgt, unabhängig von ihrer Position im Arbeitsmarkt.
Verwaltung, Bildung und Kultur, die in kapitalistischen Gesellschaften oft als Sektoren betrachtet werden, die durch Steuern und staatliche Finanzierung gesichert werden, können nun in einer freiwilligen Gesellschaft auf völlig neue Weise organisiert werden. In einer Welt ohne finanzielle Zwänge und die Notwendigkeit, durch Steuern die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu decken, kann Bildung und Kultur frei und gleichberechtigt für alle zugänglich gemacht werden.
Bildung, die in kapitalistischen Systemen oft als Ware behandelt wird, die sich nicht alle Menschen leisten können, wird nun allen zugänglich. In einer Gesellschaft, in der das Wohl aller Menschen oberste Priorität hat, ist Bildung keine Frage des Einkommens, sondern ein gemeinschaftlicher Prozess, der durch kollektive Verantwortung und Solidarität organisiert wird.
Kulturelle und soziale Arbeit als kollektive Verantwortung
Kultur, die in kapitalistischen Gesellschaften oft zur Ware gemacht wird, erfährt ebenfalls eine fundamentale Veränderung. Sie wird nicht mehr als Produkt der „Unterhaltungsindustrie“ oder als Statussymbol betrachtet, sondern als ein gemeinsames Gut, das der Gesellschaft dient und durch sie geschaffen wird.
In einer Gesellschaft ohne finanzielle Anreize sind die Menschen nicht mehr gezwungen, ihren Lebensunterhalt mit Tätigkeiten zu verdienen, die ihnen nicht entsprechen oder die nur dem Profit anderer dienen. Stattdessen können sie sich in kulturellen und kreativen Bereichen entfalten, ohne dabei von finanziellen Sorgen oder dem Zwang zur Kommerzialisierung betroffen zu sein.
7.3. Das Finanzsystem löst sich auf
An dem Tage, an dem wir auf die Löhne verzichten, löst sich das Finanzsystem auf. Es hat keinen Zugriff mehr auf die Wirtschaft, weil es dort keinen Tauschwert mehr gibt. Da alle Produkte und Dienstleistungen kostenlos sind, kann niemand mehr etwas mit Bankguthaben anfangen. Die bisherigen Wertmaßstäbe gibt es nicht mehr.
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Auch die Versicherungen werden überflüssig, weil Schäden einfach repariert werden können, ohne dass Kosten anfallen.
Im Grunde genommen stellt das kein Problem dar, weil innerhalb des Finanz- und Versicherungssystems keine materiellen Werte geschaffen werden, es wird also niemandem etwas fehlen, wenn es das Finanzsystem nicht mehr gibt. Im Gegenteil, es wird viel weniger Strom verbraucht, was sich unmittelbar auf den Treibhausgasausstoß auswirken wird.
Außerdem werden viele hochwertige Gebäude frei, die für andere Zwecke genutzt werden können. Darüber hinaus stehen viele Arbeitskräfte zur Verfügung, die zunächst wenige Stunden pro Woche dort einspringen, wo Bedarf herrscht. Im Laufe der Zeit werden sich diese Menschen mit ihren eigentlichen natürlichen Talenten in die Gesellschaft einbringen.
Die Auflösung des Finanzsystems wird also nur Vorteile mit sich bringen.
7.4. Eigentum
Die Rolle des Eigentums
Fast in der gesamten Menschheitsgeschichte war Besitz im heutigen Sinn kaum bekannt. Werkzeuge oder Waffen gehörten der Person, die sie benutzte, doch Boden, Wasser, Wälder und Tiere galten als Gut, das niemandem gehörte.
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Doch mit wachsender Bevölkerung, technischen Fortschritten und Machtunterschieden begannen Einzelne oder Gruppen, sich diese Ressourcen anzueignen. Der entscheidende Moment war die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Aneignung: Wer Land umzäunte oder kontrollierte, galt bald als sein rechtmäßiger Eigentümer, sofern er die Macht hatte, dies durchzusetzen. Gewalt, Religion und später das Rechtssystem sicherten diesen Zustand ab.
Damit wurde die natürliche Grundlage des Lebens – die Erde selbst – in eine Ware verwandelt. Was vorher selbstverständlich geteilt wurde, konnte nun verkauft, vererbt oder gehortet werden.
Im Kapitalismus ist Eigentum weit mehr als ein Mittel individueller Absicherung – es ist das zentrale Instrument zur Profitmaximierung. Ob Fabriken, Mietwohnungen oder brachliegendes Land: Eigentum existiert, um Kapital zu akkumulieren. Selbst die selbstgenutzte Eigentumswohnung erzeugt Profit, weil keine Miete gezahlt werden muss und das gesparte Geld anderweitig eingesetzt werden kann.
Sogar unbewirtschaftetes Land steigert durch Verknappung der restlichen Fläche die Grundstückspreise – ebenfalls im Dienste der Verwertung.
Warum wir das heute einfach hinnehmen?
Weil das Eigentumssystem zur kulturellen und rechtlichen Normalität wurde. Über Jahrtausende wurde es religiös gerechtfertigt („Gott hat dem Menschen die Erde gegeben“ – aber nicht allen gleichermaßen), philosophisch verteidigt (Locke: Arbeit begründet Eigentum) (Locke, 2008) und ökonomisch zum Fundament jeder Ordnung erklärt. Diese Theorie des Eigentums, das im Naturzustand begründet ist, dient Locke als Grundlage, um den Staat und die Notwendigkeit eines Gesellschaftsvertrags zu rechtfertigen. Dieser Staat soll die Eigentumsrechte schützen.
Zudem hängt das Überleben im Kapitalismus direkt vom Zugang zu Eigentum oder Arbeit ab – daher erscheint Eigentum als „natürlich“, obwohl es historisch ein Produkt von Gewalt und Ausschluss war.
Der Profit und seine Auflösung
Die entscheidende Frage lautet: Wie lässt sich diese Logik überwinden?
Die Antwort liegt nicht in der Enteignung der Produktionsmittel, sondern in der Abschaffung des Profits selbst. Ohne Profit verliert Eigentum seine Funktion als Herrschaftsinstrument – es wird funktionslos. Eigentümerinnen und Eigentümer haben dann keinen Anreiz mehr, Besitz zu halten, da er keine Erträge mehr abwirft, aber weiterhin Erhalt, Verwaltung und Risiko erfordert. Da es keinen Markt mehr gibt, können sie ihn auch nicht verkaufen.
Was bleibt, ist die schlichte Einsicht: Eigentum ist überflüssig geworden. Es löst sich auf – nicht durch Zwang, sondern durch den Wegfall seines Zwecks.
Keine Aneignung
Auch gut gemeinte Modelle kollektiven Eigentums – Genossenschaften, Räte, kommunale Betriebe – führen nicht über die Eigentumslogik hinaus. Sie verwalten Besitz lediglich gerechter, aber sie lösen ihn nicht auf. Selbst Vergesellschaftung bleibt eine Form der Aneignung, oft begleitet von Zwang oder Konflikt.
Der Gedanke, dass sich Eigentum durch Funktionsverlust von selbst auflöst, ist daher nicht nur praktikabler, sondern auch moralisch überzeugender.
Dafür braucht es einen qualitativen Sprung: die vollständige Entkopplung der Wirtschaft vom Finanzsystem. Erst wenn der Profit als Motor der Verwertung verschwindet, fällt die ökonomische Grundlage des Eigentums in sich zusammen. Was bleibt, ist die freie, gemeinsame Nutzung der Ressourcen – eine Welt ohne Eigentum, ohne Profit, ohne Klassen.
Diese Auflösung vollzieht sich gewaltlos. Enteignung wird überflüssig, weil das Eigentum selbst seinen Sinn verliert.
Der Übergang
Übergangsweise besteht formal noch die rechtliche Verpflichtung, Eigentum zu schützen. Artikel 14 des Grundgesetzes (GG, 2025) schreibt, dass Eigentum sowohl geschützt als auch dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Doch sobald Eigentum ökonomisch keinen Nutzen mehr bringt, wird es zur Last.
Gerade darin liegt die neue Möglichkeit: Was früher Eigentum war, kann der Gemeinschaft geschenkt werden. Es handelt sich nicht um Enteignung, sondern um eine bewusste Aufgabe – eine Rückkehr zur Allmende, wie sie in weiten Teilen der Menschheitsgeschichte selbstverständlich war.
Dieser Schritt wirkt befreiend. Der Eigentümer wird zum Hüter: Er schützt und teilt, statt auszuschließen und zu verwalten. Besitz verwandelt sich von einem Machtmittel in eine Verantwortung gegenüber dem Ganzen.
Schutz der Privatsphäre
Auch in einer Gesellschaft ohne Eigentum bleibt der Schutz der Privatsphäre ein zentrales Anliegen. Der Wegfall des Besitzes bedeutet keineswegs die Aufhebung persönlicher Räume oder individueller Rückzugsorte.
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Niemand wird mehr gezwungen, Räume zu teilen, die er oder sie nicht teilen möchte, nur weil Eigentum oder Mietpreise es diktieren. Menschen wählen ihre Wohnorte, Mitbewohner*innen und Lebensformen freiwillig – und aus sozialen, nicht aus finanziellen Gründen. Persönlicher Raum wird nicht vergesellschaftet, sondern respektiert, weil keine Notwendigkeit mehr besteht, ihn zu kontrollieren oder ökonomisch zu verwerten.
Technologische Hilfsmittel, etwa im Bereich der Kommunikation oder automatisierten Versorgung, werden so gestaltet, dass sie individuelle Sphären achten und nicht überwachen. Eine Welt ohne Eigentum kann somit zugleich eine Welt mit größerer Achtung vor der Privatsphäre sein – weil sie nicht länger durch Besitzinteressen verletzt wird.
Schlussfolgerung
Die einzige Lösung liegt in der vollständigen Überwindung von Finanzsystem und Profit. Erst wenn der Profit als Motor der Verwertung verschwindet, lösen sich Eigentumsverhältnisse auf – nicht durch Gesetze, Enteignung oder Umverteilung, sondern durch Entwertung ihrer Grundlage. Eigentum verliert seine Funktion und fällt in sich zusammen. Was bleibt, ist eine freie, gemeinsame Nutzung der Ressourcen – eine Welt ohne Eigentum, ohne Profit, ohne Klassen.
Die Vermeidung von erzwungenen Enteignungen wird auch gewährleisten, dass der Übergang in die klassenlose Gesellschaft gewaltlos ablaufen kann.
7.5. Befreiung der Arbeit
Wenn Arbeit nicht mehr dem finanziellen Zwang unterliegt, sondern freiwillig geleistet wird, verändert sich ihr gesamter Charakter. Sie wird Ausdruck von Kreativität, Selbstverwirklichung und gesellschaftlichem Beitrag. Die Motivation entspringt nicht mehr dem Überlebensdruck, sondern der Freude an der Tätigkeit selbst.
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Es gibt überzeugende Argumente und auch empirische Hinweise darauf, dass der Trieb zur freiwilligen, gemeinschaftsdienlichen Arbeit tief im Menschen verwurzelt ist – unabhängig von Geldanreizen. Das betrifft nicht nur anthropologische Beobachtungen, sondern auch Erkenntnisse aus Psychologie, Soziologie, Verhaltensökonomie und Neurowissenschaft.
In Urgesellschaften wurde Arbeit nicht durch Geld, sondern durch direkte Bedürfnisbefriedigung und sozialen Zusammenhalt motiviert. Kooperation war überlebenswichtig: Wer sich nicht einbrachte, wurde ausgegrenzt oder galt als unzuverlässig. Jagen, Sammeln, Kinderbetreuung, Schutz der Gruppe – all das geschah freiwillig, ohne Tausch oder Lohn. Der Trieb zur gemeinsamen Arbeit diente der Arterhaltung. Quellen wie „The Original Affluent Society“ (Sahlins, 1966) und „Hierarchy in the Forest“ (Boehm, 2001) belegen das eindrucksvoll.
Diese Bedingungen galten zu mehr als 95 Prozent der menschlichen Entwicklungsgeschichte.
Auch moderne psychologische und neurowissenschaftliche Studien bestätigen, dass Altruismus und Kooperation Glückshormone wie Oxytocin und Dopamin auslösen. Freiwilliges Helfen aktiviert Belohnungszentren im Gehirn – vergleichbar mit Essen oder Sex.
Der sogenannte „Helper’s High“ ist wissenschaftlich belegt, unter anderem im Buch von Sonja Lyubomirsky „The How of Happiness“ (Lyubomirsky, 2008) und in der Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan (Ryan & Deci, 2000) zur intrinsischen Motivation.
Der Trieb zur freiwilligen Arbeit im Dienste der Gemeinschaft ist also evolutionär tief verankert und kulturell lebendig geblieben. Er äußert sich in Formen, die nicht an Geld gebunden sind: Pflege, Fürsorge, Kreativität, Aufbauarbeit, gegenseitiges Helfen. Dieser Trieb ist keine Utopie, sondern tägliche Realität – er wird nur oft von Geldlogik überdeckt oder verzerrt. Wenn äußere Zwänge wie Geld wegfallen, kann dieser innere Antrieb wieder wirksam werden.
Die Überwindung der Entfremdung
Karl Marx kritisierte die kapitalistische Arbeit als entfremdet, da sie den Menschen von seinem Produkt, seiner Tätigkeit, seinen Mitmenschen und sich selbst trennt. Erst durch die Abschaffung der Logik der Lohnarbeit kann die Arbeit wieder dem Menschen gehören.
Jede Person kann sich dann frei und selbstbestimmt für eine Tätigkeit entscheiden, die ihren Neigungen, Fähigkeiten und Talenten entspricht, ohne unter dem Zwang zu stehen, seinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen.
In einer Gesellschaft, in der die Logik der Lohnarbeit überwunden ist, werden die meisten Menschen im Laufe der Zeit genau das tun können, was sie wirklich gerne machen – sei es backen, programmieren, pflegen, gestalten oder sogar putzen. Wer gerne bäckt, wird auch ab und zu um vier Uhr morgens aufstehen, um Brötchen und Croissants für andere Menschen zu backen, nicht aus Zwang, sondern aus Lust an der Sache.
Auf diese Weise werden viele Arbeitsplätze von innen heraus besetzt – durch persönliche Begeisterung statt durch ökonomischen Druck. Wichtig ist, durch solidarischen Wechsel einer Eintönigkeit zuvorzukommen.
Solidarische Organisation unangenehmer Arbeiten
Für notwendige, aber unbeliebte Tätigkeiten, die weder von Freiwilligen noch von Maschinen übernommen werden können, entwickeln sich solidarische Rotationssysteme, die basisdemokratisch gesteuert und solidarisch besetzt werden.
Die Entscheidung zur Teilnahme bleibt freiwillig, wird jedoch getragen von einem Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung, als Gegenleistung für die erhaltenen täglichen Geschenke auch etwas für die anderen zu tun. Die Verteilung erfolgt nicht über Lohnanreize, sondern über solidarische Prinzipien und Gemeinschaftsgefühl.
In einer vom Finanzsystem befreiten Wirtschaft kann der technologische Fortschritt endlich menschenzentriert genutzt werden. Roboter ersetzen nicht mehr Menschen aus Profitgründen, sondern übernehmen gezielt die körperlich belastendsten und monotonsten Arbeiten.
Schluss mit globaler Ausbeutung
Die heutige Weltwirtschaft basiert auf der Ausbeutung billiger Arbeitskraft, besonders im globalen Süden – etwa bei der Rohstoffgewinnung oder in der Textilproduktion. In der zukünftigen Gesellschaft wird dieses Verhältnis obsolet. Es spielt dann keine Rolle mehr, ob eine Hose von einem Menschen in Asien oder einem Menschen in Europa genäht wird.
Niemand muss mehr unter Zwang arbeiten. Sollten Menschen bestimmte Tätigkeiten verweigern, wird das nicht als Problem, sondern als notwendige Korrektur einer historisch gewachsenen Ungerechtigkeit verstanden und es werden auf basisdemokratischem Wege Lösungen gesucht.
7.6. Die Rolle der Unternehmer:Innen bei der Umstellung
Viele Menschen fragen sich, ob Unternehmer ihre Produkte überhaupt freiwillig herausgeben würden, wenn niemand mehr Lohn oder Profit verlangt. Die Antwort hängt davon ab, ob wir wirklich weltweit gleichzeitig umstellen – und genau das ist der entscheidende Punkt.
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Damit verändert sich der Sinn ihrer Tätigkeit grundlegend. Statt immer neue Verkaufsstrategien zu entwickeln oder Kosten zu drücken, können sie sich endlich auf das konzentrieren, was ursprünglich ihr Antrieb war: gute, haltbare, nützliche und recycelbare Produkte herzustellen. Ihr Wissen über Produktion, Organisation und Technik bleibt wertvoll – aber es dient nun allen, nicht mehr der privaten Bereicherung.
Neue Unternehmensformen – ohne Profit, ohne Ausbeutung
In dieser beschriebenen Produktionsweise verdient niemand mehr an Unternehmen. Damit entfällt der ökonomische Anreiz zur Ausbeutung. Unternehmer:innen handeln dann nicht mehr als Kapitaleigner:innen, sondern als Koordinator:innen sinnvoller Prozesse.
Sie gestalten nachhaltige Produktionsformen gemeinsam mit den anderen Beschäftigten, die aus freien Stücken im Unternehmen bleiben oder wechseln – je nachdem, wo sie ihre Fähigkeiten am besten entfalten können.
Führungskräfte werden nicht länger daran gemessen, wie viel Gewinn sie erwirtschaften oder wie stark sie Kosten senken, sondern daran, wie sehr sie Vertrauen, Kooperation und Sinn vermitteln.
An die Stelle von Kontrolle tritt Vorbild. Eine gute Führungsperson inspiriert durch Haltung, nicht durch Macht. Sie organisiert nicht, um Ziele zu erfüllen, sondern um Menschen zu befähigen, ihr Bestes beizutragen. Motivation entsteht nicht mehr durch Belohnung oder Angst, sondern durch gemeinsame Verantwortung für das Gelingen des Ganzen.
Führung wird damit zu einer Form von Dienst – ein Knotenpunkt der Koordination, Empathie und Orientierung. Die ehemals hierarchische Rolle wandelt sich in eine kulturelle und soziale Aufgabe: den Geist des Schenkens lebendig zu halten und allen die Freude an gemeinsamer Wirksamkeit zu ermöglichen.
Im überwiegenden Teil der Unternehmen werden sich die Unternehmer:innen schnell den neuen Verhältnissen anpassen und die Befreiung vom Profitzwang als Befreiung von einer Last empfinden.
Im Notfall besteht im freiwilligen weltweiten Verzicht auch das Potential eines weltweiten Generalstreiks.
7.7. Was wird aus dem Staat?
Wozu brauchen wir heute Staat und Macht? Wir brauchen den Staat, um das Eigentum zu schützen und die Macht, um Interessen durchzusetzen. Meist handelt es sich dabei um finanzielle Interessen, um Bereiche der Wirtschaft zu stärken. In der „Benharmonia“ gibt es keinen Streit um Geld mehr, weil das Geld überflüssig geworden ist.
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Entscheidungen werden gemeinschaftlich getroffen. Lokale Räte, verbunden durch offene Kommunikationsnetzwerke, bilden das Rückgrat der basisdemokratischen Organisation. Jeder Mensch kann sich wirksam einbringen. Macht ist durch Verantwortung ersetzt worden. Innerhalb der betreffenden Kommunen wird dann basisdemokratisch entschieden, ob eine neue Straße oder eine Schule gebaut wird.
Polizei und Justiz werden wahrscheinlich in der heutigen Form nicht mehr gebraucht. Die meisten Delikte wie Raub, Drogen- und Menschenhandel, Betrug oder Steuerhinterziehung haben etwas mit Geld zu tun und Geld gibt es nicht mehr. Sicher wird es noch vereinzelt Gewalt geben auf Grund von Eifersucht oder ähnlichem, aber diese Probleme können zivilgesellschaftlich, vielleicht mit einer Art Schöffengericht, gelöst werden.
Auch die wenigen verbleibenden Fälle, die heute mit Strafvollzug geahndet werden, lassen sich bestimmt auf andere Art regeln. Mit Therapie oder Vorbildwirkung beispielsweise. Ich muss immer wieder darauf hinweisen, dass sich die Menschen ändern. Die zutreffendste Beschreibung dafür ist Leben in Geschwisterlichkeit. Jemanden auszugrenzen wird dann nicht mehr zu unserem Selbstverständnis gehören.
Mit dem Verschwinden des Geldes und der Notwendigkeit zentraler Verwaltung verliert der Staat seine bisherigen Funktionen. Die Organisation der Gesellschaft geschieht zunehmend dezentral, auf der Grundlage freiwilliger Zusammenschlüsse und örtlicher Kooperation. In diesem Prozess gewinnen ethnisch oder kulturell gewachsene Strukturen neue Bedeutung – nicht als exklusive Abgrenzungen, sondern als Orte gelebter Identität und gegenseitigen Vertrauens.
Die „Völker“ im ursprünglichen Sinn – Gemeinschaften gemeinsamer Sprache, Geschichte und Lebensweise – übernehmen wieder die Verantwortung für ihre Lebensräume.
Zwischen ihnen bestehen keine Herrschaftsbeziehungen mehr, sondern Netzwerke gegenseitiger Unterstützung. So entsteht ein neues Verhältnis von Lokalem und Globalem: Die kulturelle Vielfalt bleibt erhalten, während die materielle Grundlage der Existenz global geteilt wird.
In den vergangenen Jahrhunderten hat die Kolonialisierung willkürlich Grenzen gezogen und viel Leid dadurch verursacht. Wenn die Staaten verschwinden, dann verschwinden diese Grenzen natürlich auch. Vielleicht werden sich wieder ethnisch zusammengehörige Völker herausbilden.
Die Menschen werden sich gegenseitig besuchen, sogar länger verweilen und sich gegenseitig kulturell bereichern.
Flüchtlingsströme, wie wir sie heute kennen, wird es nicht mehr geben. Heute fliehen Menschen vor Armut und vor Krieg. Mit dem Geld verschwindet automatisch auch die Armut. Sobald es keinen Markt mehr gibt, können die Güter gerecht verteilt werden.
Was wird mit Militär, Waffen und Krieg?
Wenn die Wirtschaft auf nachhaltige Produktionsweise umgestellt wird, dann kommt es zu einer konsequenten Kreislaufwirtschaft. In Verbindung mit dem viel geringeren Konsum werden die natürlichen Ressourcen kaum noch ausgebeutet. Einen Krieg um Ressourcen können wir deshalb ausschließen.
Da es keinen Profit mehr gibt, wird niemand mehr daran interessiert sein, Waffen herzustellen.
7.8. Luxusartikel und „Drecksarbeit“
(Identisch mit Kap. 4.5.: Grenzen unserer Vorstellungskraft)
Es lässt sich häufig beobachten, dass Prognosen über eine postkapitalistische Gesellschaft von falschen Voraussetzungen ausgehen. Der Grund dafür liegt darin, dass es uns äußerst schwerfällt, uns wirklich in eine solche Gesellschaft hineinzuversetzen.
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Unsere Vorstellungskraft ist an die Bedingungen der Gegenwart gefesselt. Wir neigen dazu, einzelne Fakten oder Gewohnheiten herauszugreifen und sie auf die Zukunft zu übertragen, obwohl sie dort keine Gültigkeit mehr haben. Doch eine neue postkapitalistische Gesellschaft entsteht nicht durch die Veränderung des Alten, sondern durch die Aufhebung seiner Grundlagen.
Wenn wir etwa versuchen, uns die Mobilität in einer solchen Gesellschaft vorzustellen, denken wir automatisch an Autos, Straßen, Staus und Pendelverkehr. Vielleicht würden wir meinen, ein Auto pro Familie sei ausreichend.
Aber in einer Gesellschaft, in der Arbeit unbezahlt geleistet wird, entfällt auch der Zwang, täglich zwischen Wohn- und Arbeitsort zu pendeln. Niemand muss mehr weite Strecken zurücklegen, weil er dort mehr Geld verdient. Mobilität wird nicht verschwinden, aber sie wird ihren Zweck ändern: Sie dient nicht länger dem Zwang zur Erwerbsarbeit, sondern der Begegnung, der Kooperation, der Freude am Austausch. Ein „Pendeln“ wird es dann nicht mehr geben, weil es keinen Sinn ergeben würde. Wie viele Menschen würden sich dann noch die Mühe machen, ein eigenes Auto zu halten?
Dasselbe gilt für nahezu alle Lebensbereiche. Wohnen, Arbeiten, Lernen, Forschen, Reisen – all das verliert seine heutige, ökonomisch bestimmte Form. Wir werden nicht länger fragen, „wie viel es kostet“ oder „ob es sich lohnt“, sondern nur noch, ob es sinnvoll und nützlich für das gemeinsame Leben ist.
Am schwierigsten ist es wahrscheinlich, uns Situationen vorzustellen, die sich heute durch größte Knappheit auszeichnen. Das sind Luxusartikel wie teurer Schmuck, teure Autos, teure Urlaube oder teure Wohnungen – sie sind für die meisten Menschen unerreichbar und deshalb am begehrenswertesten.
Versucht, euch diese zukünftige Situation vorzustellen, wenn sich das Geld aufgelöst hat, weil alles – ja alles – gratis ist. Plötzlich könnten wir uns einfach alles nehmen, theoretisch auch den teuren Schmuck, die teuren Autos, die teuren Urlaube oder die teuren Wohnungen. Wir könnten theoretisch sogar jeden Tag im Champagner baden. Diese Güter sind dann nicht mehr „knapp“. Wie begehrenswert werden sie dann noch sein?
Aber was noch wichtiger ist – diese Dinge haben keinen Preis mehr. Es ist für uns nicht mehr erkennbar, ob es früher einmal Luxusartikel waren. Ich würde mich nur ungern in einen Maserati-Sportwagen hineinquetschen oder dafür verantwortlich sein, eine riesige Wohnung mit vielen glänzenden Oberflächen zu putzen.
Wir werden in dieser Gesellschaft Dinge bevorzugen, die praktisch sind. Außerdem muss sich in einer solidarischen und geschwisterlichen Umgebung niemand hervorheben. Jesus Christus soll zu Lebzeiten immer gesagt haben: „Die Letzten werden die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“ (Mt. 19,30) (Testament, 1999) Ist das vielleicht damit gemeint?
Ähnlich wird es auch mit der „Drecksarbeit“ werden. Heute machen sie Menschen, die auf das Geld angewiesen sind, das sie dafür bekommen. Jeder, der die Chance auf mehr Geld hat, wird sich diese Arbeiten nicht gerade suchen.
In der neuen Gesellschaft werden wir solidarisch damit umgehen und uns dabei abwechseln, sodass sich viele in die wenige Drecksarbeit teilen, die dann noch bleibt. Viele dieser Arbeiten können dann automatisiert werden, wenn das Entscheidungskriterium Geld nicht mehr dazu führt, dass billige Arbeitskräfte viel weniger kosten als der Einsatz von Robotern. Wenn die Autofabriken für die Produktion von Robotern umgerüstet sind, wenn es wegen des nahezu vollständigen Recycling kaum noch Abfall gibt, dann wird sich das Problem der „Drecksarbeit“ relativieren.
Wer also eine Vorstellung davon gewinnen will, wie wir in einer postkapitalistischen Gesellschaft leben werden, muss bereit sein, alle heutigen Grundannahmen zu hinterfragen, auf denen unsere gegenwärtige Denkweise beruht. Wir müssen loslassen und einfach dieser dann solidarisch und geschwisterlich geprägten Sicherheit vertrauen.
Erst wenn wir diesen Schritt wagen, wird unsere Vorstellungskraft frei genug, um das Neue zu denken.
8. Globale Auswirkungen
Mit der weltweiten Einführung freiwilliger, nicht entlohnter Arbeit im Rahmen von Benharmonia endet die historische Epoche der globalen Abhängigkeiten. Die bisherige Trennung in „reiche“ und „arme“ Weltregionen verliert ihren Sinn. An ihre Stelle tritt ein Prozess gegenseitiger Befruchtung, in dem der Globale Süden nicht mehr nachzuholende Entwicklungsstufe, sondern tragendes Element einer neuen Zivilisation wird.
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Vom Gefälle zur Gegenseitigkeit
In der kapitalistischen Weltordnung bildete die ungleiche Verteilung von Kapital, Technologie und Macht die Grundlage einer asymmetrischen Arbeitsteilung: Der Norden konzentrierte Reichtum, industrielle Kapazitäten und politische Kontrolle, während der Süden als Rohstoffquelle und Absatzmarkt diente. Unter den Bedingungen von Benharmonia verlieren diese Strukturen ihre Funktion.
Mit der Aufhebung von Eigentum, Geld und Konkurrenz verschwindet auch das Prinzip der Abhängigkeit. Statt Austauschverhältnissen entsteht eine stoffliche und soziale Gegenseitigkeit. Jede Region bringt ein, was sie hat – Bodenfruchtbarkeit, Wissen, handwerkliche Fähigkeiten, organisatorische Traditionen – und empfängt, was sie benötigt.
Dadurch wird erstmals eine wirkliche Gleichrangigkeit möglich: nicht als formale Gleichstellung, sondern als gelebte Kooperation.
Die Wiederentdeckung kooperativer Kulturen
Während die kapitalistische Moderne im Norden weitgehend individualisierte Lebensformen hervorgebracht hat, bestehen im Süden vielerorts noch Reste gemeinschaftlicher und solidarischer Strukturen – Dorfgemeinschaften, lokale Räte, Clan- und Familienverbände, Formen gegenseitiger Hilfe und kollektiver Verantwortung.
Konzepte wie das südafrikanische Ubuntu („Ich bin, weil wir sind“) oder das indigene Sumak Kawsay bzw. Buen Vivir aus den Andenregionen verkörpern eine Ethik des Miteinanderseins, in der das Wohl des Einzelnen untrennbar mit dem Wohl der Gemeinschaft und der Natur verbunden ist.
Solche Vorstellungen, die im globalen Süden nie völlig verschwunden sind, bilden in Benharmonia den kulturellen Resonanzboden für neue globale Formen gemeinschaftlicher Verantwortung.
Diese historisch gewachsenen sozialen Muster gewinnen im neuen Rahmen eine unerwartete Bedeutung: Sie dienen als lebendige Beispiele für gesellschaftliche Organisation jenseits von Staat und Markt.
Länder des globalen Südens leben heute meist einfacher als der globale Norden. Wir sehen es deutlich daran, dass der Country Overshoot Day dieser Länder in den letzten Monaten des Jahres liegt. Zum Zeitpunkt des Verschwindens des Geldes benötigen sie wahrscheinlich noch Hilfe aus dem Überschuss des Nordens. Aber bald schon werden sie dem Norden ein Beispiel sein für nachhaltige Lebensführung.
Anstatt dass der Norden den Süden „modernisiert“, vollzieht sich nun die umgekehrte Bewegung. Menschen aus den Ländern des Nordens, entfremdet von gemeinschaftlichem Leben, reisen in den Süden, um dort mitzuarbeiten – nicht als „Helfer“, sondern als Lernende. Sie beteiligen sich an der Wiederherstellung zerstörter ökologischer und sozialer Strukturen, helfen beim Bau großer Dämme gegen den Meeresspiegelanstieg oder der Begrünung von Wüsten und nehmen an Lebensformen teil, die auf gegenseitiger Verantwortung und unmittelbarer Kooperation beruhen.
Auf diese Weise wird der Süden zur Quelle kultureller und sozialer Erneuerung für die gesamte Menschheit.
Rückfluss sozialer Erfahrung in den Norden
Die Erfahrungen aus dem Süden beginnen, die Gesellschaften des Nordens tiefgreifend zu verändern. In ehemaligen Industrieregionen, wo Arbeits- und Sozialstrukturen weitgehend zersetzt waren, entstehen nach dem Vorbild südlicher Gemeinschaften neue Formen des Zusammenlebens: Nachbarschaften, regionale Verbünde, kooperative Werkstätten und offene Lernzentren.
Der Norden lernt, soziale Beziehungen wieder als Produktionskraft zu begreifen. Technologische Kenntnisse fließen weiterhin in die gemeinsame Entwicklung ein, doch sie ordnen sich den Bedürfnissen der Gemeinschaften unter.
Die historische Einseitigkeit der „Zivilisation“ kehrt sich um: Fortschritt bedeutet nun nicht mehr technische Beherrschung, sondern soziale Verbundenheit.
Eine neue kulturelle Symmetrie
Unter den Bedingungen von Benharmonia entsteht eine neue kulturelle Symmetrie. Der Norden bringt Erfahrung in Wissenschaft, Technik und Organisation ein, der Süden soziale und ökologische Weisheit, kulturelle Kontinuität und praktische Gemeinsinnsformen.
In der Wechselwirkung beider Strömungen bildet sich eine planetarische Kultur, in der das Wissen des einen Teils der Menschheit nicht länger den anderen überformt, sondern sich mit ihm verbindet.
Begriffe wie Ubuntu, Buen Vivir oder Sumak Kawsay werden dabei zu universellen Symbolen einer Ethik des Gemeinsamen, die nicht mehr regional begrenzt ist. Sie beschreiben eine Haltung, die im Alltag von Benharmonia konkret wird – in solidarischem Handeln, geteilter Verantwortung und gegenseitiger Fürsorge.
Die Begriffe „Norden“ und „Süden“ verlieren allmählich ihre politische und ökonomische Bedeutung. Sie bezeichnen dann nur noch geografische Räume einer gemeinsamen, vielstimmigen Weltgesellschaft.
Ausblick
Das Ende der globalen Ungleichheit zeigt sich nicht nur in der Verteilung der Güter, sondern vor allem in der Wiederherstellung menschlicher Beziehungen. Die Auflösung der Herrschaft des Geldes ermöglicht eine Rückkehr zu sozialen Formen, die durch Vertrauen, Nähe und gemeinsame Verantwortung getragen sind.
Der Globale Süden wird so – nach Jahrhunderten der Ausbeutung – zum Ausgangspunkt einer neuen sozialen Kultur, die das Menschliche selbst erneuert.
In diesem Sinn bedeutet Benharmonia nicht bloß eine ökonomische Umwälzung, sondern die Wiederentdeckung des Menschseins im Ganzen der Erde.
Der Autor
Eberhard Licht wurde1955 im südthüringischen Theaterstädtchen Meiningen geboren. Read More
Das zweite Lebensdrittel begann nach dem Fall der Mauer. Dieser Teil war von der Aufgabe bestimmt, Marktanteile zu erobern. Erst beim Aufbau einer Zweigstelle eines südwestdeutschen chemischen Instituts in Weimar und später eines eigenen akkreditierten Prüfinstituts für industrielle Emissionsmessungen in Berlin.
Der dritte Abschnitt begann 2010, als Eberhard erkannte, dass die beiden jüngeren seiner vier Kinder mehr Zeit und Zuwendung brauchten. Er verkaufte sein Unternehmen und hörte auf, für Geld zu arbeiten. Schnell stellte er fest, wie erfüllend Hausfrauenarbeit sein kann, wenn sie nicht unter patriarchalischer Herrschaft steht. Mehrere Jahre engagierte er sich zudem ehrenamtlich in einer Obdachloseneinrichtung im niederländischen Utrecht – bis die Corona-Pandemie diese Arbeit beendete.
Seitdem widmet er sich mit ganzer Kraft der Ausarbeitung des vorliegenden Plans zur Befreiung der Arbeit, der Menschen und der Erde.
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Eberhard Licht
Für das Literaturverzeichnis bitte das pdf-Buch downloaden.
Die Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus aus marxistischer Sicht
Hier gibt es noch ein kleines Erklär-Video (5 Minuten)
Bitte habt Verständnis dafür, dass nur Kommentare mit konstruktivem Inhalt veröffentlicht werden.
Berlin, den 10.11.025
Eberhard Licht
Also, ich könnte mir diese Welt gut vorstellen. Ich nähe sehr gerne, aber in meiner Familie braucht niemand etwas. Wenn wirklich alle mit dem demokratisch kontrollierten Internet verbunden wären, und jemand eine Hose braucht, könnte er doch eine Anforderung schicken und eine vertrauenswürdige KI würde diese Anforderung zu mir weiterleiten, weil sie weiß, dass ich gerne nähe. Ich würde ihm dann eine Hose nähen und wäre froh, etwas nützliches gemacht zu haben, worüber sich jemand freut. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich dann immer mal ein Foto bekomme, wo er mit der neuen Hose war.
Also ich wünsche ihnen viel Erfolg mit diesem Plan!
Herzliche Grüße, Hanna
Was bei der Hose funktioniert, muss noch lange nicht beim Smartphone klappen. Einen Smartphone herzustellen erfordert:
– Seltene Erden aus China
– Chip-Fertigung in Taiwan
– Display-Produktion in Südkorea
– Software-Entwicklung global verteilt
– Logistik über Kontinente
– Tausende spezialisierte Zulieferer
Das Ganze ohne Geld zu koordinieren ist ein Alptraum!
Aber ich wünsche ebenso viel Erfolg mit diesem Plan!
Das Besondere an diesem Plan ist ja gerade, dass es nicht wie beim Sozialismus frustrierende Enteignungen geben muss, die zum Chaos führen könnten, denn das Eigentum wird von alleine überflüssig. Aber dazu muss man alles lesen. In Punkt 5 ist genau beschrieben, dass es beim Übergang überhaupt keine Veränderungen gibt. Seltene Erden und Chips werden weiterhin geliefert. Warum auch nicht, wenn es keine Preiskämpfe mehr gibt? Werden die seltenen Erden natürlich unter unmenschlichen oder umweltschädlichen Bedingungen gewonnen, dann dauert es vielleicht ein halbes Jahr länger, bis ein neues Handy verfügbar ist, bis diese Bedingungen verbessert sind.
Wichtig ist auch Punkt 4.6. Die Grenzen unserer Vorstellungskraft.
Gerade das Geld ist der Alptraum, das Preisdumping und Ausbeutung des globalen Südens ermöglicht.
Naja es gibt viele Idee für eine Gesellschaft ohne Geld. Leider scheitern die oft an der Umsetzung, da Geld auch Vorteile hat. Ich selber war ein Freund des Venus Projektes, aber eine konkrete Umsetzung sehen ich leider nicht. Ich finde man muss die Menschen erst von dem Geld entwöhnen und dann kann man über die Abschaffung von Geld nachdenken. Die Löhne wie in dem Text als Problem dargestellt, sind jedoch kein Problem. Und der Verzicht auf Löhne wird meiner Ansicht nach leider nicht zum Ziel frühen. Hier wird leider eine rein utopische Idee präsentiert, die so nicht umsetzbar ist.
Ein „Entwöhnen“ funktioniert nicht, weil es sich nicht gegen das jährliche Wirtschaftswachstum von mehreren Billionen durchsetzen kann. Genau deshalb haben das Venus Projekt und alle anderen Postwachstumsideen keinen Erfolg.
Warum die Löhne?
Was macht Bosch, wenn die Belegschaft eine Lohnerhöhung durchgesetzt hat? Es müssen mehr Waschmaschinen verkauft werden, weil das Geld für die höheren Löhne nicht vom Himmel fällt. Sie werden dann so konstruiert, dass sie sich nicht mehr reparieren lassen. So einfach funktioniert die zerstörerische Wachstumsspirale. Und nebenbei steigen natürlich auch die Profite.
Die Abschaffung der Löhne wäre eine friedliche Revolution, die jederzeit erfolgen könnte. Die Wirtschaft würde vorerst unverändert weitergehen, nur dass keine Kosten mehr entstehen und alles gratis ist. Was soll daran Utopie sein? Genau so funktioniert die gesamte Reproduktion, ohne die es keine Wirtschaft gäbe!
Damit wären die Voraussetzungen für das Venus-Projekt geschaffen. Auch das Problem der Wuchermieten wäre gelöst, weil die Eigentümer nichts mehr mit den Mieteinnahmen kaufen könnten. So löst sich mit dem Finanzsystem auch das Eigentum an Produktionsmitteln und Immobilien auf. Enteignungen wären nicht erforderlich.
Am besten, du liest mal den Text durch, da ist wirklich alles genau beschrieben.