Schlagwort-Archiv: Militarisierung der Wirtschaft

FAZ: Die Rüstungsindustrie treibt das Wachstum an

„Die europäische Rüstungsindustrie wächst und ist auch für Anleger ein großes Thema. Nachhaltigkeitskriterien rücken indes mehr in den Hintergrund.“ (FAZ vom 21.11.2025)

„Rüstungsboom sichert laut Studie Hunderttausende Jobs“ (Handelsblatt vom 20.11.2025)

Der Ausweg:

Verweigerung der Löhne
als direkte Aufhebung des Kapitals

1. Warum ist der Lohn die Quelle des Kapitals?

Marx’ Argumentation ist eindeutig:

Nicht die Maschine, nicht die Organisation, nicht das Kapital selbst erzeugen Mehrwert, sondern einzig die lebendige Arbeit, deren Wert unter ihrem Produktwert bezahlt wird.

Das heißt: Der Lohn ist strukturell immer ein Unterpreis.

Er gibt den Arbeiter:innen nur den Wert der Reproduktion ihrer Arbeitskraft zurück, nicht aber den vollen Wert, den sie schaffen.

Mehrwert entsteht ausschließlich dadurch, dass ein Teil der geleisteten Arbeitszeit nicht bezahlt wird. Der Kapitalist eignet sich diesen unbezahlten Teil an.

Daraus folgt der radikale, aber zwingende Schluss:

Solange es Löhne gibt, gibt es Mehrwert. Und solange es Mehrwert gibt, gibt es Kapitalakkumulation.

Die Abschaffung des Kapitals lässt sich daher nur über die Abschaffung der Löhne erreichen – nicht über die Enteignung.

Enteignung kann Eigentum verschieben, aber:

  • Sie bewahrt die Lohnform,
  • Sie bewahrt Tauschwert und Markt,
  • Sie bewahrt die Trennung von Produktionsmitteln und Arbeiter:innen.

Damit bleibt die Logik der Ausbeutung intakt, nur in anderen Händen.

2. Warum die Verweigerung der Löhne heute realistischer ist als je zuvor

Historisch scheiterte jede Form der Überwindung des Kapitals daran, dass Arbeitskoordinierung ohne Markt unvorstellbar war.

Drei materielle Veränderungen bringen eine völlig andere Lage:

a) Überflussproduktion: Arbeitszeit ist kein knappes Gut mehr

In praktisch allen Sektoren – Energie, Nahrung, Industrie, Dienstleistungen – liegt die gesellschaftliche Produktivität so hoch, dass:

  • die Grundbedürfnisse mit viel weniger Stunden Arbeit pro Woche gedeckt werden könntenRead More
  • viele Tätigkeiten bereits automatisierbar sind,
  • die Reproduktion der Gesellschaft nicht mehr auf Vollzeitarbeit angewiesen ist.

Der Kapitalismus braucht Löhne, um Disziplin zu erzwingen.

Eine hochproduktive Gesellschaft braucht Löhne aber nicht mehr, um Überleben zu sichern.

b) Globale Vernetzung erlaubt horizontale Koordination ohne Markt

Das zentrale marxistische Problem jeder geldfreien Gesellschaft war stets:

  • Wie koordinieren wir Produktion und Versorgung ohne Preise?

Heute aber existieren:

  • Echtzeit-Datennetze
  • Logistiksysteme, die global funktionieren
  • Plattformen, die Kooperation und Matching ohne Geld ermöglichen
  • KI-Systeme, die Bedarfe antizipieren und Ressourcen optimieren können

Damit wird die zentrale Frage der Überwindung des Kapitalismus neu beantwortbar:

  • Nicht der Markt koordiniert – sondern die Informationsflüsse.
  • Produktion wird bedarfsgesteuert, nicht profitgesteuert.

c) Wenn Arbeit freiwillig ist, kollabiert der Tauschwert automatisch

  • Wenn Arbeit freiwillig ist, kann kein Tauschwert entstehen – denn niemand verkauft etwas.
  • Alles, was produziert wird, ist Geschenk, nicht Ware.

Das bedeutet:

  • Rohstoffe haben keinen Preis mehr
  • Vorprodukte haben keinen Preis mehr
  • Endprodukte haben keinen Preis mehr
  • Löhne werden überflüssig
  • Kapital wird sinnlos (es kann sich nicht mehr verwerten)
  • Das Finanzsystem löst sich funktional auf, nicht administrativ.

3. Empirische Grundlage: Der Verzicht auf den Lohn ist keine Utopie

Die Vorstellung, Arbeit müsse entlohnt werden, um gesellschaftliche Reproduktion sicherzustellen, ist historisch widerlegt. In der Gegenwart zeigt sich:

  • Der größte Teil der gesellschaftlich notwendigen Arbeit ist unsichtbar in den offiziellen volkswirtschaftlichen Kennzahlen.
  • In den meisten kapitalistischen Ländern übersteigt die Menge der unentlohnten Arbeit (z. B. Sorgearbeit, Pflege, Erziehung, Haushalt, informelle Hilfe, Ehrenamt, digitale Gemeingüterproduktion) die entlohnte Arbeit deutlich.
  • Schätzungen zeigen, dass rund ein Viertel mehr unentlohnt gearbeitet wird als entlohnt (DESTATIS: Zeitverwendungserhebung (ZVE) 2022)– nur wird diese Arbeit nicht im BIP erfasst, weil sie nicht über die Lohnform vermittelt ist.

Hier liegt ein entscheidender marxistischer Befund:

  • Die moderne Gesellschaft wird schon heute wesentlich durch Arbeit erhalten, die gar keinen Lohn erhält und dennoch funktioniert.
  • Die Lohnform ist daher nicht naturgesetzlich, sondern ein historisch beschränktes Koordinationsprinzip kapitalistischer Mehrwertproduktion.

Diese empirische Tatsache zeigt:

  • Gesellschaftliche Reproduktion ist längst nicht mehr vom Lohn abhängig.
  • Die materielle Basis für eine Produktion jenseits der Lohnform existiert bereits im Alltag.
  • Ein Großteil menschlicher Arbeit geschieht heute schon bedürfnisorientiert, nicht tauschwertorientiert.

Die Abschaffung der Lohnform ist kein utopisches Projekt, sondern die theoretische Konsequenz der marxschen Mehrwertanalyse und die empirische Fortsetzung einer Realität, die bereits existiert.

Wo Arbeit aufhört, Ware zu sein, hört das Kapital auf, gesellschaftliche Form zu sein.

4. Die Zuspitzung der gegenwärtigen Akkumulationskrise und der Übergang zur Rüstungsökonomie

Die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung in den kapitalistischen Kernländern lässt sich mit Marx’ Theorie der Überproduktions- und Unterkonsumtionskrisen präzise erfassen. Die zentrale Dynamik besteht darin, dass die hohen Produktivitätszuwächse der letzten Jahrzehnte nicht mit einem entsprechenden Anstieg der Reallöhne einhergingen. Read More

5. Der Care-Streik 2027 als notwendige Gegenbewegung

Warum ausgerechnet der Care-Sektor den historischen Bruch herbeiführen kann

Die unsichtbare Basis des Care-Sektors trifft auf eine dramatische Doppelkrise:

  1. Die militarisierte Kompensation der Überproduktionskrise
    • Rüstungsproduktion ersetzt schrumpfenden Privatkonsum.
    • Waffenproduktion wird zum letzten „sicheren Geschäftsfeld“.
    • Damit steigt strukturell das Risiko realer militärischer Eskalationen.
  2. Die ungebremste ökologische Destabilisierung
    • Ungebremst steigende Emissionen trotz aller „Klimapolitik“.
    • Zerstörung der Lebensgrundlagen schreitet schneller voran als jede Reform.
    • Krisenreaktionen werden zunehmend autoritär und militärisch.

Aus dieser Konstellation folgt:

Die Zeit läuft ab – ökonomisch, ökologisch, politisch.

Das historische Fenster, in dem gesellschaftliche Akteure eine Alternative durchsetzen können, ist extrem schmal.

Ein Blick in die Geschichte macht deutlich, wie schnell sich Krisen militarisieren:

  • Zwischen der Machtübernahme der Nationalsozialisten (1933) und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs (1939) lagen nur sechs Jahre.
  • Eine ganze Zivilisation kippte in kürzester Zeit in Krieg und Barbarei — aus einer Situation massiver ökonomischer Verwerfungen heraus.

Der Care-Streik 2027

Gerade weil der Care-Sektor heute den funktionalen Kern gesellschaftlicher Reproduktion bildet, besitzt er eine einzigartige Machtposition:

  • Wenn Care-Arbeit stockt, stockt alles.
  • Wenn Care-Arbeit sichtbar wird, zerfällt die kapitalistische Illusion, dass nur Lohnarbeit „produktiv“ sei.
  • Wenn Löhne kollektiv verweigert werden würden, dann würde sichtbar, welche Arbeit die Gesellschaft wirklich trägt.

Der geplante Care-Streik am 8. März 2027 kann daher mehr sein als ein Arbeitskampf.

Er kann der historische Moment sein, in dem jene Arbeit, die bisher „unsichtbar“ gehalten wurde, ihre zentrale gesellschaftliche Rolle zurückfordert — und bei der Vorbereitung dieses Streiks die kapitalistische Lohnform erstmals offen infrage gestellt wird.

Gerade die Verbindung von:

  • ökonomischer Krisenverschärfung,
  • realer Kriegsgefahr,
  • ökologischer Verwüstung,
  • und der strukturellen Macht des Reproduktionsbereichs

macht den Care-Streik nicht zu einer sektoralen Aktion, sondern zu einem möglichen zivilisatorischen Wendepunkt.

Der Care-Streik, also die feministische und solidarische Verweigerung der Löhne, ist damit jener Hebel, der aus der Defensive heraus eine tatsächliche gesellschaftliche Transformation einleiten kann — bevor militärische oder ökologische Entwicklungen das historische Fenster schließen.

Berlin, den 03.12.2025

Eberhard Licht

Das Buch Care-Wirtschaft 2.0 zum kostenlosen Download

 

 

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