Die Tatsache, dass die Reparatur der vom Klimawandel verursachten Schäden sowie Kriege die sicherste Quelle für weiteres Wirtschaftswachstum sind, müsste jetzt weltweit die Alarmglocken schrillen lassen. Kriege sind inzwischen legitim, sie werden nicht mehr generell verurteilt sondern Demokratien unterstützen sie mit Waffenlieferungen. Und die Klimaschäden werden immer größer, weil noch immer jährlich mehr und mehr Kohlendioxid emittiert wird.
Unsere politischen Führer haben sich dem Kapitalismus verschrieben und sie haben keine andere Lösung parat als den Kapitalismus mit seinem unendlichen Wachstum. Deshalb sind wir Bürger gefragt. Aber Proteste reichen nicht aus. Wir müssen den Politikern einen Weg präsentieren, wie wir aus dieser globalen Krise heraus kommen und wir müssen jetzt den Schritt in die Zukunft wagen. Wenn es kein bekanntes Wirtschaftssystem gibt, welches den Kapitalismus ablösen kann, dann müssen wir schauen, was die Utopie bietet.
Die Menschen sind bereit für eine Utopie. Wir stehen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend. Wir beginnen damit, Mond und Mars zu besiedeln und wissen im Augenblick, was auf der anderen Seite der Erde passiert. Aber wir klammern uns krampfhaft an ein Wirtschaftssystem, dessen Ursprünge bis fast zum Mittelalter zurückreichen.
Die Grundwidersprüche des kapitalistischen Systems sind innerhalb dieses Systems nicht lösbar. Die Menschen konsumieren aus Angst vor Wohlstandsverlust immer weiter, obwohl sie spüren, dass dieser Konsum den Klimawandel und den Neokolonialismus vorantreibt.
Wie sollen wir uns auch einschränken, wenn wir rund um die Uhr mit Werbung aufgefordert werden, immer mehr zu kaufen. Neuerdings wird diese Werbung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz so an unsere persönlichen Interessen angepasst, dass wir sie bald nicht mehr als Werbung wahrnehmen können. Ich spreche hier hauptsächlich von den Menschen im globalen Norden aber der Drang danach, mehr und mehr zu konsumieren, ist sicher weltweit vorhanden.
Was würde denn passieren, wenn wir tatsächlich weniger kaufen würden, damit die Wirtschaft auf vielleicht 70 Prozent heruntergefahren werden kann, um den Ausstoß von Treibhausgasen und die Rohstoffextraktion des globalen Südens signifikant zu reduzieren?
In diesem Falle würde das Finanzsystem in Panik geraten, wie bei jedem schon viel kleineren Anlass. Das Finanzsystem gibt der Wirtschaft Kredite und erwartet, dass diese Kredite bedient werden. Wenn das Wirtschaftswachstum nachlassen würde, könnte die Wirtschaft diese Finanzleistungen nicht mehr in vollem Maße erfüllen. Das Finanzsystem würde der Wirtschaft dann keine Finanzmittel mehr zur Verfügung stellen und es käme zu einer Wirtschaftskrise unvorstellbaren Ausmaßes.
Genau aus diesem Grund kann es keine allmähliche Transformation von innen heraus geben, wie sie viele Autoren von Postwachstumsideen vorschlagen.
Daraus folgt, dass wir jetzt über unseren Schatten springen müssen. Bekannte Wege wie der Sozialismus führen nicht zur Lösung, daran besteht eigentlich kein Zweifel. Wir müssen uns jetzt einer utopischen Idee zuwenden. Aber was noch wichtiger ist, wir müssen uns einem nahezu undenkbaren Weg zuwenden, der uns die Verwirklichung dieser utopischen Idee erlaubt.
Die zukünftige Wirtschaft muss eine Wirtschaft sein, in der alle Menschen sicher versorgt sind und sie keine Angst vor Arbeitslosigkeit haben müssen. Es muss eine Wirtschaft sein, in der niemand dazu verleitet wird, sich mehr zu nehmen als er wirklich braucht. Und es muss eine Wirtschaft sein, die unabhängig vom Finanzsystem ist, welches die Wirtschaft zum Wachstum zwingt.
Wir denken, dass wir bestimmte Voraussetzungen für eine Transformation schaffen müssen. Aber alle Voraussetzungen sind da. Wir haben die modernste Technologie, Wir haben die benötigten Produktionsmittel und wir haben die Menschen, die ihrer täglichen Arbeit nachgehen.
Wir müssen uns auch keine komplizierten Steuergesetze ausdenken, um den Reichtum umzuverteilen. Wir müssen nur die Randbedingungen für die Wirtschaft so ändern, dass sie von ganz alleine beginnt, nur noch das zu produzieren, was die Menschen wirklich brauchen, um zufrieden und glücklich leben zu können.
Diese Wirtschaftsform hat sich bereits in tausenden von praktischen Anwendungen bewährt, nämlich überall dort, wo die Menschen freiwillig arbeiten. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Versorgungsstrukturen von Graswurzelbewegungen funktionieren. In den Volksküchen, den „Küchen für Alle“ oder „Küfas“ kann diese Wirtschaftsform in vielen Städten jederzeit beobachtet werden.
Es handelt sich dabei um einen vollständigen Wirtschaftskreislauf, es gibt Rohstoffe, eine Produktion und eine Verteilung.
Das Prinzip ist sehr einfach. Alle Menschen arbeiten freiwillig. Das ist nicht ungewöhnlich denn heute beträgt der Anteil ehrenamtlicher Arbeit weltweit ungefähr 40 Prozent, mit steigender Tendenz. Die im ehrenamtlichen Bereich tätigen Menschen machen ihren Job oft besser als diejenigen, die dafür bezahlt werden.
Wenn die Rohstoffe dazu noch kostenlos sind, dann könnten alle Waren an alle Menschen verschenkt werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass kein Mensch aufgefordert wird, sich mehr zu nehmen als was er wirklich benötigt. Dann empfinden wir es auch nicht als Verzicht oder Wohlstandsverlust, wenn wir uns nur das nehmen, was wir für ein zufriedenes Leben brauchen. Dann wäre kein Mensch mehr ausgeschlossen.
Jetzt sagen natürlich viele, dass das auf Grund unserer Gier nicht möglich ist. Aber wir müssen daran denken, dass in dem Moment, in dem wir beginnen, freiwillig zu arbeiten, andere Bedingungen herrschen. Es gibt keinen Wettbewerb mehr und somit liegen dann Bedingungen vor wie im familiären Bereich, in dem Gier weitgehend ausgeschlossen ist. Außerdem ist dieses Risiko klein gegenüber der Gewissheit, was mit unsrer Welt passiert, wenn wir nichts unternehmen.
Sind alle Rohstoffe kostenlos? Ja, natürlich, denn wir müssen der Erde und der Sonne nichts dafür bezahlen.
Für viele Menschen ist dies nicht so einfach nachvollziehbar. Sie argumentieren, der Besitzer des Grundstückes, auf dem die Rohstoffe gewonnen werden, lebt ja davon, dass er diese Rohstoffe verkauft. Oder sie sagen, dass ja bereits Vorleistungen des Bauern nötig sind, um das Korn zu ernten.
In der hier beschriebenen Wirtschaftsform wäre es so, dass der Besitzer des Grundstückes überhaupt kein Einkommen benötigt, weil er seinen Lebensunterhalt gratis bekommt und auch der Bauer erbringt die Vorleistungen mittels freiwilliger Arbeit, er bekommt seinen gesamten Lebensunterhalt freilich auch gratis.
Wir können also feststellen, dass alle Voraussetzungen für die Umstellung der Wirtschaft gegeben sind.
Was passiert mit dem Finanzsystem? Es würde sich dann von ganz alleine auflösen, weil es schlichtweg nicht mehr benötigt wird. Weil es keinerlei materielle Werte schafft, wird es den Menschen überhaupt nicht fehlen. Die frei werdenden Immobilien helfen, die Wohnungsnot zu lindern und die ehemaligen Beschäftigten arbeiten in der Wirtschaft mit, sodass wahrscheinlich eine 20-Stunden-Woche ausreicht.
Geld ist der Knappheitsfaktor, der dafür sorgt, dass wir immer mehr davon haben wollen und der uns dazu zwingt, das Maximale aus der verfügbaren Geldmenge herauszuholen. Das Gegenteil davon ist die Fülle, das gute Gefühl, sich eigentlich unendlich viel nehmen zu können (was später natürlich kein Mensch tun wird). Ersteres führt zu ungezügeltem Konsum, letzteres führt zu Genügsamkeit.
Es passiert dann auch noch etwas ganz besonderes. Weil die Unternehmer keinen Profit mehr erzielen können, verlieren sie allmählich das Interesse an ihrem Eigentum, denn sie haben trotzdem weiterhin die Verantwortung dafür. Wenn ihr Interesse ganz erloschen ist, dann wird alles wieder zu Allmende.
Diese einfache und absolut logische Frage könnte die Welt verändern:
„Bist du bereit, freiwillig zu arbeiten, wenn du alles, was du für ein zufriedenes und glückliches Leben brauchst, geschenkt bekommst?“
Wer sollte da nein sagen?
Das Geniale an diesem Programm ist, dass der Übergang jederzeit stattfinden kann, sobald alle Menschen ihre Bereitschaft erklären, von einem Stichtag an freiwillig zu arbeiten. Das könnte theoretisch noch in diesem Jahr passieren.
Wir müssen jetzt unbedingt damit beginnen, darüber zu diskutieren.
Weiterführende Literatur (kostenloser Download)
Eberhard Licht
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