viele Menschen wissen, dass unser heutiges Geldsystem jegliche Transformation behindert oder gar unmöglich macht. Alles wird nur daran gemessen, ob es sich rechnet. Waffenproduktion rechnet sich, umweltschonende und friedensfördernde Produktion rechnet sich nicht.
Sehnsüchtig schauen wir zum Königreich Bhutan, wo angeblich das Glück als Maßstab für den Wohlstand des Landes benutzt wird.
Auch wenn das nicht alle Probleme löst – die Richtung stimmt: Glück ist besser als Geld.
Stellen wir uns eine Welt vor, in der die Menschen nicht mehr für Geld kaufen müssen, was sie brauchen, sondern sich einfach nehmen dürfen, was ihnen ein gutes Leben ermöglicht. Keine Preise mehr sondern Geschenke, die tagtäglich glücklich machen. Und mit Geschenken geht man achtsam um. Niemand wird maßlos nehmen, wenn klar ist, dass auch andere bekommen sollen, was sie brauchen. Schenken bedeutet Vertrauen und Dankbarkeit. Denken wir an Geburtstag und Weihnachten.
Im Grunde leben wir schon jetzt von Geschenken: Die Erde schenkt uns Wasser, Luft, Pflanzen und Rohstoffe. Dafür zahlen wir nichts – es sei denn, jemand hat sich dieses Geschenk angeeignet, um es zu verkaufen. Und genau hier beginnt das Problem.
Die erste Hürde: Eigentum
Die meisten Rohstoffe liegen auf privatem Grund. Nicht weil das natürlich wäre, sondern weil unser System vorsieht, dass Menschen Grund besitzen müssen, um sich darüber Einkommen zu sichern. Doch was, wenn niemand mehr Geld braucht, weil alles, was er oder sie zum Leben braucht, frei verfügbar ist? Dann würde auch der Grundbesitz seine ökonomische Funktion verlieren. Rohstoffe könnten wieder kostenlos verfügbar sein.
Die zweite Hürde: Lohnarbeit
Auch unsere Arbeit verkaufen wir – weil wir sonst nicht überleben könnten. Das bedeutet aber auch: Solange Arbeit einen Preis hat, müssen die Unternehmer:Innen für ihre Produkte ebenfalls Geld verlangen.
Was aber, wenn wir aufhörten, unsere Arbeit zu verkaufen – und stattdessen freiwillig tätig wären, so wie es in der Zivilgesellschaft und im Care-Bereich Gang und Gäbe ist? Dann könnten die Produkte frei abgegeben werden. Niemand müsste sich Sorgen um seinen Lebensunterhalt machen. Alles, was wir brauchen, würden wir uns gegenseitig schenken – getragen von Gemeinschaft und Verantwortung.
Somit wären wir vom Geld beim Glück angelangt.
Damit das alles funktioniert, müsste es natürlich weltweit gleichzeitig passieren. Damit alle Grundstücksbesitzer ihren Lebensunterhalt kostenlos bekommen und damit alle Unternehmer:Innen keine Ausgaben mehr für Löhne haben.
Hierfür müsste es weder Gesetze geben, noch müsste etwas an der Wirtschaft verändert werden. Wir müssten bloß von einem Tag auf den anderen damit beginnen, auf unsere Löhne zu verzichten.
Die Veränderungen würden dann von alleine einsetzen. Niemand ist daran interessiert, dass so viel wie möglich verschenkt wird. Deshalb gäbe es keine Werbung mehr. Die Produktion würde zurückgehen und wir hätten die langfristigen Klimaziele ganz schnell erreicht. Arbeitslosigkeit gäbe es nicht mehr, denn durch die Geschenke sind alle Menschen, von jung bis alt, automatisch versorgt. Diejenigen, die ihre Arbeit verlieren, helfen woanders mit und so könnte sich die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit signifikant verringern.
Die Wirtschaft muss nicht mehr aufpassen, dass es sich rechnet, sondern sie könnte sich voll und ganz darauf konzentrieren, was die Menschen benötigen um glücklich zu sein. Freizeit macht natürlich auch glücklich.
Da niemand mehr mit der Produktion von Waffen Geld verdienen kann, wird es keine Schaffung von Feindbildern, keine Aufrüstung und letztendlich auch keine Kriege mehr geben. Wir könnten dann endlich miteinander leben wie Schwestern und Brüder.
Wir werden nicht morgen schon damit beginnen. Aber wir könnten heute anfangen, dieser Idee das Tabu zu nehmen.
Es geht um mehr als Transformation – es geht um eine neue Kultur des Zusammenlebens.
Und ein Ausflug zu Marx:
Fangen wir an mit der Lehre vom Mehrwert. Der ursprünglich kostenlose Rohstoff bekommt seinen „Wert“ durch die menschliche Arbeit. Damit beginnt die marxistische Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus. Eben dieser „Mehrwert“ ist das erste Glied der Kette, die letztendlich zur theoretisch nahezu unendlichen Akkumulation und Macht des Kapitals führt. Die Marx‘sche Lehre beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Wertschöpfung. Vielleicht hat es Marx übersehen, weil die Voraussetzungen für eine Kritik dieser Wertschöpfung noch nicht gegeben waren, aber genau diese Wertschöpfung, diese Übertragung des Wertes der Arbeit auf die Ware ist die Ursache für das Vorhandensein der heutigen internationalen Finanzwirtschaft.
Die gesellschaftliche Arbeitsteilung gibt es erst seit viel weniger als einem Prozent der Menschheitsgeschichte. Bis auf diesen extrem kurzen Moment herrschten Verhältnisse, wie wir sie uns für die klassenlose Gesellschaft erträumen. Die Menschen „beschenkten“ sich die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch gegenseitig mit ihrer Arbeit und den gesammelten oder gejagten Produkten ihrer Arbeit. Jeder Mensch trug bei und entnahm, was er zum Leben brauchte. Dieser Trieb zur Arbeit, der der Arterhaltung dient, steckt natürlicherweise in uns, sonst würde es uns nicht geben.
Der Gedanke ist wahrscheinlich zunächst sehr ungewohnt, aber wir müssten also nichts anderes tun, als wieder dazu überzugehen, was für uns Menschen schon immer ganz selbstverständlich und üblich war, nämlich uns die Arbeit und die damit geschaffenen Erzeugnisse gegenseitig zu schenken. Natürlich auf dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik, wir müssten dazu freilich nicht wieder, mit Fellen bekleidet, in Horden durch die Wälder ziehen.
Wir müssten nur einen Schritt früher als Marx beginnen und vermeiden, dass die kostenlosen Rohstoffe und die kostenlose Energie erst diesen „Mehrwert“, diesen Tauschwert bekommen.
Es wäre also ganz einfach, diese Unterlassung von Karl Marx zu korrigieren. In der Praxis könnte das ganz schnell geschehen, indem wir von einem Tag zum andern damit beginnen, auf unseren Lohn zu verzichten, und damit den produzierten Halbzeugen, Waren und Dienstleistungen den Charakter von Geschenken zu verleihen.
Damit wäre dem gesamten Finanzsystem von der Entstehung bis zur Akkumulation des Kapitals die Grundlage entzogen, es würde in sich zusammenfallen ohne dass wir es vermissen werden, denn es erzeugt keinerlei materielle Werte.
Berlin, den 22.07.25
Eberhard Licht