Es war ein Sommer voller goldener Früchte.
Die Mirabellenbäume bogen sich unter der Last ihrer süßen Gaben,
als wollten sie uns daran erinnern,
dass Überfluss in der Natur kein Zufall ist, sondern ihr Wesen.
Nora aus meinem Pilates-Kurs stand in der Küche und kochte Marmelade.
Glas um Glas füllte sich mit Sonne, Geduld und Liebe.
Ihre Mühe diente nicht dazu, um zu verkaufen, sondern um zu schenken.
Und während irgendwo in der Ferne Fabriken ratterten,
Bilanzen gezogen und Waffen verschifft wurden,
füllte sich Noras Küche mit dem Duft stillen Friedens.
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Es gibt zwei Welten.
Die eine nennt man die Welt des Geldes.
Hier misst man Wert in Zahlen,
nicht in Freude oder Dank.
Man produziert, um zu verkaufen,
und verkauft, um zu überleben.
Stillstand bedeutet Zusammenbruch,
und deshalb muss der Mangel bleiben –
damit weitergekauft wird.
Diese Welt lebt von Zerstörung,
denn Wiederaufbau bringt Gewinn.
Das nannte man einst „Wirtschaftswunder“.
Heute nennt man es Wachstum.
Die andere Welt ist leiser.
Sie ist dort, wo wir Zeit mit unseren Kindern verbringen,
wo wir unsere Angehörigen pflegen,
wo wir dafür sorgen, dass jemand am nächsten Tag wieder arbeiten kann.
Wo die Menschen etwas tun, um anderen zu helfen.
Wo Juliane und Iris Kleider nähen,
nicht um Lohn zu bekommen,
sondern um jemandem eine Freude zu machen.
Wo Ingrid Marmelade kocht
und sie in Hände legt, die sich darüber freuen.
In dieser Welt gilt ein anderes Gesetz:
Wer gibt, wird reicher.
Der Dank ist der Lohn,
und Vertrauen ersetzt Verträge.
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Früher war es schwer, solche Menschen zu finden,
doch heute gibt es das Netz,
das uns alle verbindet.
Man könnte es nutzen,
um eine Welt des Schenkens zu schaffen –
eine Plattform, auf der jeder zeigt, was er kann,
und jeder findet, was er braucht.
Doch noch dient dieses Netz der alten Welt:
es verkauft, es verführt, es vergleicht.
Es könnte ein Werkzeug des Gebens sein –
doch noch ist es ein Markt.
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Aber vielleicht braucht es gar keine Revolution.
Keine Gesetze, keine Machtübernahme.
Nur eine freie und friedliche Entscheidung.
Wenn die Menschen eines Morgens sagen würden:
„Wir wollen ab heute Dank statt Geld“,
dann würden Panzer überflüssig,
weil niemand sie freiwillig baut.
In den Fabriken und Werkhallen
würde überall das leise Lächeln entstehen,
das nur diejenigen kennen,
die aus Freude handeln.
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Die Mirabellenmarmelade erzählt davon,
dass es möglich ist.
Sie zeigt, dass Fülle wächst,
wenn man sie teilt.
Vielleicht beginnt der Frieden
nicht mit Verträgen und Konferenzen,
sondern mit einer Frau,
die Marmelade kocht
und sie verschenkt.
Denn wer schenkt,
entwaffnet die Welt.
In der Chaos-Theorie sagt man,
der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien
kann einen Tornado in Mexiko auslösen.
Vielleicht genügt auch ein Glas Mirabellenmarmelade,
um den Frieden in Bewegung zu setzen.
Erläuterungen
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt voraus, dass die Weltwirtschaft bis 2030 um weitere 25 Prozent wachsen soll. Dieses Wachstum ist im heutigen System notwendig, um Löhne, Renten, Sozialabgaben und natürlich auch die Profite zu sichern – denn Geld entsteht nur, wenn ständig etwas Neues produziert und verkauft wird.
Das Problem ist: Noch mehr Wachstum lässt sich heute kaum noch auf friedliche oder sinnvolle Weise erzeugen. Die größten Umsätze entstehen längst durch Aufrüstung, Waffenhandel und den Wiederaufbau nach Kriegen oder Naturkatastrophen. Read More
Berlin, den 14.10.25 Eberhard Licht
Kontakt: licht@Benharmonia.net