Professor Fratzscher ist der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität.
Lieber Herr Professor Fratzscher!
Gestern Abend in der Tagesschau hörte ich Ihren Kommentar zum höheren Steueraufkommen und Ihr Bedauern, dass der Grund hierfür die Inflation und nicht der Konsum ist. Heute früh holte ich mir gleich Ihr Buch „Geld oder Leben“ aus der Bibliothek.
Sie beschreiben in den ersten Abschnitten ausführlich die Vermögensverteilung. Und ich verstehe Sie sicherlich nicht ganz falsch, wenn ich den Eindruck habe, dass sie kritisieren, dass 40 Prozent der Bürger über nur ein Prozent des gesamten Vermögens verfügen.
Aber sehen Sie es denn nicht, dass gerade unser heutiges Wirtschaftssystem daran die Schuld trägt? Ungleichheit ist nun einmal die Basis für Wettbewerb, so sehr wir uns auch etwas anderes wünschen. Sie müssten eigentlich am besten wissen, dass es nicht möglich ist, z.B. durch staatliche Eingriffe umfassende Veränderungen dieses Systems zu erreichen.
Sie schreiben auf S. 194 ff etwas über den Anstieg der Energiepreise. Normalerweise müsste sich jetzt die Wirtschaft fast ausschließlich darauf konzentrieren, für alle Häuser Isolierfenster und Brennwertkessel zu produzieren. Aber das passiert nicht.
Müssen nicht gerade kluge Menschen überlegen, ob es Alternativen gibt? Einen Verbrennungsmotor kann man nicht weiterentwickeln, bis dass er kein Kohlendioxid mehr ausstößt. Es sei denn, man benutzt Wasserstoff. Aber die energetisch viel bessere Lösung wäre, ein vollkommen anderes Antriebssystem zu verwenden. Es sind Menschen wie Sie, die jetzt den Elektromotor für unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem erfinden müssen.
Angesichts Ihres Lebenslaufes schätze ich Sie so ein, dass sie dazu in der Lage sind, einmal versuchsweise alles Lehrbuchwissen beiseite zu lassen und utopisch zu denken.
Stellen Sie sich vor, alles Geld der Welt würde nur noch in digitaler Form existieren. Und versuchen Sie sich vorzustellen, dass durch einen starken elektromagnetischen Impuls oder ein schreckliches Computervirus alle Festplatten der Welt gelöscht werden würden. Wir gehen einmal rein theoretisch davon aus, dass es dann plötzlich kein Geld mehr gibt, weil sich die Festplatten nicht mehr herstellen lassen.
Damit die Menschen nicht verhungern, gehen sie morgen in die Supermärkte und bekommen die Waren des täglichen Bedarfs kostenlos. Wir gehen, rein theoretisch, einmal davon aus, dass alle Menschen dabei so diszipliniert sind, wie es auch Ihre Freunde, Bekannten und Verwandten in dieser Situation sein würden, lieber Herr Professor Fratzscher. Am Montag gehen dann alle Menschen wieder ihren täglichen Aufgaben nach. Und so weiter.
Rein theoretisch.
Was passiert nun mit allen Gläubigern der Welt? Auch sie nehmen sich, was sie brauchen. Denn es ist ja da. Auch der bestellte neue BMW X2 ist da, denn er verschwindet ja nicht gleichzeitig mit dem Geld. Den Gläubigern würde es also gar nichts ausmachen, wenn das Geld weg ist. Wäre das nicht fast so wie ein wirkliches Perpetuum mobile?
Wäre es nicht viel spannender und für die Zukunft unserer Welt viel vielversprechender, wenn wir zusammen an einem solchen Motor basteln anstatt zu versuchen, den Verbrenner immer weiter zu perfektionieren, z.B. nach dem Motto „Der Staat druckt sich selbst mit der Druckerpresse…“ (Seite 107)?
Es gibt hier in Berlin zufällig drei Menschen, die vollkommen unabhängig voneinander ein Buch geschrieben haben über eine fiktive aber in theoretischer Hinsicht funktionierende Gesellschaft ohne Geld. Ich möchte Ihre Neugier anstacheln, mit uns ins Gespräch zu kommen. Die letzten Seiten Ihres Buches machen mich dahingehend sehr zuversichtlich.
Ein schönes Wochenende und herzliche Grüße!
Literatur:
Peter Lucas: Utopia ist machbar
Bilbo Calvez: Saruj, Stell dir vor, es gibt kein Geld mehr
Eberhard Licht: Die einfache Wirtschaft